MATTER OF FLUX

Diese Publikation gibt einen nachhaltigen Einblick in das Forschungsprojekt MATTER OF FLUX von Art Laboratory Berlin. Es umfasst eine Gruppenausstellung zu Kunst, Körper- und Biopolitik und feministischer Technowissenschaft sowie ein Netzwerk und ein Festival von und für internationale Berliner FLINTA* in Kunst, Wissenschaft und Technologie.

Das Buch versammelt Essays und Statements sowie Text- und Bilddokumentationen von rund 50 Autor:innen, deren vielfältige Fachgebiete den polyphonen Boden von MATTER OF FLUX bilden: Kunst, Design, Film, kuratorische Arbeit, Dramaturgie, Musik, Kunstgeschichte, Medientheorie, Anthropologie, Philosophie, Soziologie, feministische Wissenschaftsgeschichte, Mikrobiologie, Pflanzenökologie, Biotechnologie, Neurowissenschaften und Physik.

MATTER OF FLUX ist ein einzigartiges Projekt, das Mikroansichten auf zellulärer Ebene mit Makroperspektiven auf übermenschliche Ökologien verbindet. Das Projekt basiert auf dem sorgfältigen Aufbau eines Netzwerks vielfältiger Forschungsfelder.

BEITRÄGE VON

Alanna Lynch · Alice Cannavà · Anne Hölck · Annika Haas · Asian Feminist Studio for Art and Research (AFSAR) · Aslı Dinç · Baldeep Kaur · Cammack Lindsey · Cansu Tekin · Charmaine Poh · Chiara Garbellotto · Christian de Lutz · Constanza Piña Pardo · Eva-Fiore Kovacovsky · Ewen Chardronnet · Flo Razoux · Gülşah Mursaloğlu · Hanwen Zhang · India Mansour · Jacky Hess · Jemma Woolmore · Käthe Wenzel · Karolina Żyniewicz · Kristina Stallvik · Lena Fließbach · Lena Johanna Reisner · Lisa Bell Weisdorf · Lucy Powell · Lyndsey Walsh · Margherita Pevere · Marianna Szczygielska · Mooni Perry · Moonwen · Nayeli Vega · Nicol Rivera Aro · Nicola Maria Hochkeppel · pamela varela · Park Hye-in · Regine Rapp · Sarah Hermanutz · Selen Solak · Shu Lea Cheang · Sina Ribak · Susanne Jaschko · Susanne Schmitt · Sybille Neumeyer · Theresa Schubert · Tuçe Erel · WhiteFeather Hunter · Yan Lin.

INHALTSVERZEICHNIS

TEIL I: MATTER OF FLUX. AUSSTELLUNG

LEAKY SYSTEMS. On Current Artistic Research about Body and Biopolitics | Regine Rapp, Tuçe Erel, Christian de Lutz

ARTISTS’ STATEMENTS
The Discomfort of the Pseudomenstruating Technoscientific Body | WhiteFeather Hunter
Self-Care | Lyndsey Walsh
Unborn0x9 | Shu Lea Cheang, Ewen Chardronnet

TEIL II: MATTER OF FLUX. NETZWERK, FESTIVAL

RE_SITUATING KNOWLEDGES. A Conversation about Building Networks and Collectively Preparing a Festival | Tuçe Erel, Karolina Żyniewicz, Regine Rapp

CRITICAL HISTORY OF TECHNOLOGY
AFSAR (Asian Feminist Studio for Art and Research). Lecture Performance | Charmaine Poh, Hanwen Zhang,Park Hye-in, Mooni Perry, Yan Lin
Glitter Kitchen and Zine Making Workshop | Baldeep Kaur, Selen Solak, Marianna Szczygielska, Hanwen Zhang

LEAKY CYCLES
Clay Eating, Earthly Matters: The Reading Session, Compost Zine Lounge, Infinite Returns – A Roleplaying Game | India Mansour, Gülşah Mursaloğlu, Cammack Lindsey, Sybille Neumeyer, Lena Fließbach, Cansu Tekin

ALTERNATIVE KNOWLEDGE PRODUCTION
Instant Storytelling Sessions | Anne Hölck, Nicola Maria Hochkeppel, Aslı Dinç
The Fluxional Shelf | Kristina Stallvik
Liquifying Language. Workshop | Annika Haas

TECHNOLOGIES. SENSORS. INTERFACES
Octopussyntric. Workshop, Performance | Constanza Piña Pardo, Flo Razoux, Nicol Rivera Aro, pamela varela

PLANT ENCOUNTERS. PRACTICES, SITES, COMMUNICATION
Sites of Vegetal Life. Performative Lectures | Käthe Wenzel, Susanne Schmitt, Alice Cannavà, Lisa Bell Weisdorf
MicrocosMoss. Workshop | Susanne Jaschko, Jacky Hess, Eva-Fiore Kovacovsky, Lucy Powell
Alchemic Cooking | Chiara Garbellotto, Sina Ribak

HYDRO-RELATIONS
Vessels for Water. Workshop | Jemma Woolmore, Lena Johanna Reisner, Nayeli Vega, Sarah Hermanutz

CONJURING STENCH
Smell Workshop | Lyndsey Walsh, Alanna Lynch

VISITS
Fluid, Leaky Art Practices – A Studio Visit | Margherita Pevere, Theresa Schubert
Artist Studio Visit | Cammack Lindsey
Exhibition Visit – “t–issues of care” | Sybille Neumeyer
Lab Visit – Plant Ecologies, FU Berlin | India Mansour

EINFÜHRUNG (S. 6 – 8, deutsche Übersetzung)

Diese Publikation ist eine konzentrierte Darstellung des Forschungsprojekts MATTER OF FLUX, das Art Laboratory Berlin (ALB) im Jahr 2023 initiierte. Es umfasst eine Gruppenausstellung mit künstlerischen Arbeiten zu Körper- und Biopolitik und Care-Formen und erstreckt sich auf den Aufbau eines umfangreichen kooperativen Netzwerks von in Berlin ansässigen FLINTA*-KünstlerInnen und -WissenschaftlerInnen (FLINTA* steht für Frauen, Lesben, Intersex-Personen, Nicht-binäre-Personen, Trans-Personen und Agender-Personen). Die Mitglieder des Netzwerks arbeiteten zusammen, um das MATTER OF FLUX Festival im Frühsommer 2023 gemeinsam zu organisieren.

Im ersten Teil des Buches, MATTER OF FLUX | EXHIBITION, nehmen Christian de Lutz, Tuçe Erel und ich unsere kuratorische Forschung als Grundlage für eine theoretisch fundierte Reflexion über die aktuelle künstlerische Forschung im Zusammenhang mit Körper- und Biopolitik anhand von drei künstlerischen Positionen. In unserem Essay verfolgen wir kritisch die  Rahmung der Künstler:innen zu weiblichen und nicht-binären Körpern und ihrer Materie, Natur und Gesundheit. WhiteFeather Hunter schuf ein lebendes Kunstwerk aus ihren eigenen menstruellen Stammzellen, das die patriarchalischen Vorurteile der medizinischen Biologie in Frage stellt. Lyndsey Walsh entwickelte ein Care-Programm für potenziell krebserregende Zellen in einem Wearable und erforschte gleichzeitig die genetische Vererbung von Brustkrebs in ihrer Familie. Shu Lea Cheang und Ewen Chardronnet untersuchten die Biopolitik der Schwangerschaft im Zeitalter des technologischen Kapitalismus. Weitere Überlegungen zu diesen Konzepten finden sich auch in den von allen ausstellenden Künstler:innen verfassten Texten.

Der größere zweiten Teil des Buches, MATTER OF FLUX | NETZWERK, FESTIVAL, ist einer komprimierten Darstellung des sich entwickelnden FLINTA*-Netzwerks und des Festivals MATTER OF FLUX gewidmet. Während mehrerer Netzwerktreffen im Winter und Frühjahr 2023 brachte Art Laboratory Berlin einen großen Teil der Berliner FLINTA*-Szene aus Kunst, Wissenschaft und Technologie zusammen. Aus diesem umfangreichen Pool von Kolleg:innen entwickelte eine Gruppe von rund 40 Teilnehmer:innen gemeinsam ein Festivalprogramm. Serendipität und radikale Offenheit waren die Motoren, die die vielen Netzwerkteilnehmenden dazu brachten, die einzigartigen Podiumsdiskussionen, performativen Vorträge, MATTER OD FLUX-Lesegruppen, Koch- und Zine-Making-Sessions und zahlreichen Workshops sowie Künstler:innenatelier-, Labor- und Ausstellungsbesuche des Festivals zu gestalten. Die realisierten Konzepte und Themen der einzelnen Cluster, die während des Festivals zuweilen wie eine gelebte Utopie erschienen, schufen letztlich den Boden für einen größeren und noch immer andauernden transdisziplinären Forschungsprozess über Materie. Auf die Gefahr hin, deren erfrischend komplexe und vielschichtige Methodik zu verkürzen, möchte ich die verschiedenen Formate im Rahmen dieser Einführung dennoch kurz zusammenfassen. Das Cluster CRITICAL HISTORY OF TECHNOLOGY diskutierte Kosmotechniken durch transkulturelle Praktiken und entwickelte Formate für eine feministische Technologietransformation mit dem Fokus auf nicht-plastischen Glitzer. Der Cluster LEAKY CYCLES erforschte Boden und Kreisläufe von der molekularen bis zur planetarischen Ebene durch Lesen, Zine-Making, Geophagie und Rollenspiele. Das Cluster ALTERNATIVE KNOWLEDGE PRODUCTION bot interaktive Plattformen für gemeinsames Erzählen durch zufällige Assemblagen von Objekten, präsentierte verkörperte Epistemologien durch (wechselnde) Textarchive und führte in das (Un-)Learning von Sprache durch somatechnische Interventionen ein. Im Cluster TECHNOLOGIES. SENSORS. INTERFACES wendeten sie technofeministische Körperpolitiken als Grundlage für performative Ansätze zu intimen sensorischen Erfahrungen an. Das Cluster PLANT ENCOUNTERS. PRACTICES, PLACES, COMMUNICATION präsentierte verschiedene Formen der urbanen Pflanzenforschung, führte Praktiken der Tintenherstellung und Destillation durch und bot lebendige transdisziplinäre Ansätze für verkörperte Mensch-Pflanze-Beziehungen zu Moos und der Kartoffelpflanze. Der Cluster HYDRO-RELATIONS lud zu hydrofeministischen und mehr-als-menschlichen Begegnungen mit Wasser und Ton ein. Der Workshop CONJURING STENCH eröffnete Diskurse über Gestank und “schlechten” Geruch an, um schließlich einen kollektiven Duft zu entwickeln. Auch die Atelier-, Labor- und Ausstellungsbesuche der Künstler:innen wendeten sich künstlerisch und wissenschaftlich der Materie zu – seien es Cyanobakterien, Algen, mikrobielle Zellulose oder Erde. Diese Publikation ist lediglich eine dichte Darstellung eines kollektiven Forschungsprozesses, der sich noch immer entfaltet.

Art Laboratory Berlin dankt allen Mitwirkenden von MATTER OF FLUX für ihr beeindruckendes Engagement in der Ausstellung, bei den Netzwerktreffen und beim Festival. Wir danken auch allen lokalen und internationalen MATTER OF FLUX-Kooperationspartner:innen für ihre unermüdliche Unterstützung in allen Teilen des Projekts (aufgelistet auf S. 95). Unser besonderer Dank und unsere Anerkennung gilt den fördernden Institutionen – der Stiftung Kunstfonds und dem Förderprogramm Neustart Kultur, den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Förderung von MATTER OF FLUX – einschließlich dieser Publikation! – hilft Art Laboratory Berlin zu wachsen und unser Netzwerk für zukünftige Projekte zu öffnen. Das hier vorgestellte Netzwerk MATTER OF FLUX ist natürlich ständig in Bewegung. Wir hoffen, dass diejenigen, die 2023 beteiligt waren, sich weiterhin in diesem lebendigen Netzwerk engagieren. Kolleg:innen, die noch nicht mitgewirkt haben, sind herzlich eingeladen, sich an zukünftigen Projekten zu beteiligen. Netzwerke verhalten sich wie Organismen – symbiotisch, durchlässig und immer im Werden begriffen. Schließlich ist diese Publikation eine Einladung, sich in unseren zahlreichen und vielfältigen theoretischen und praktischen Forschungsprozessen auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen, stets mit einer großen Portion Sorgfalt und radikaler Offenheit.

Regine Rapp | Art Laboratory Berlin