Queer Sonic Fingerprint
Transdisciplinary Research
Isabel Bredenbröker und Adam Pultz
Wie klingen Körper? Und wie können Kulturgüter (cultural belongings) in ethnologischen Museumssammlungen durch unerwartete queere Verwandtschaftsbeziehungen in Schwingungen versetzt werden? In der interaktiven Audioinstallation Queer Sonic Fingerprint von Klangkünstler* Adam Pultz und Anthropolog*in Isabel Bredenbröker werden nicht-normative Beziehungen rund um ethnologische Sammlungen und darüber hinaus spekulativ erfahrbar. Die Installation verstärkt die Materialität der Sammlung akustisch durch Klang-Fingerabdrücke: Abbildungen der akustischen Eigenschaften von Körpern. In einer transdisziplinären Begegnung mit Audiobearbeitung und evolutionäre KI erwecken dynamisch wechselnde Fingerabdrücke ausgewählte Teile von Museumssammlungen in einer mehrkanaligen Klangökologie zum Leben.
Queerness birgt eine Spannung in sich, die Susan Talburt (Professor of Women’s, Gender and Sexuality Studies) als elementar produktiv bezeichnet. Kulturgüter in ethnologischen Sammlungen sind von der kolonialen Begegnung und ihren politischen Nachwirkungen zutiefst betroffen. Auch sie befinden sich in einem Spannungsverhältnis, wie die aktuellen Debatten über Eigentum, Geschichte, ihre repräsentativen Funktionen und den richtigen Ort für sie zeigen. Stimmen aus indigenen Gemeinschaften und von Wissenschaftler*innen haben die so genannten ethnologischen „Objekte“ in Museumssammlungen inzwischen durch einen ihnen zugesprochenen Personenstatus neu definiert. Die Installation fasst Beziehungen der Rückkehr, welche derzeit mit wachsendem Nachdruck eingefordert werden, ebenso wie die Beziehungen zwischen den einzelnen Sammlungsbestandteilen auf.
Die Klang-Fingerabdrücke sind Teil einer Mehrkanal-Audioinstallation, die auch field recordings und gesprochene Konversationen umfasst. Hier werden die Verwandtschaft und die Beziehungen zwischen den Objekten zu klanglichen Beziehungen, die der ansonsten visuellen Dominanz des musealen Raums eine andere Sinnesebene entgegenstellen. Für Museumsausstellungen und -sammlungen gelten strenge Regeln: Die meisten Dinge dürfen nicht berührt werden, und vieles bleibt im Lager unzugänglich. Als Antwort auf solche Einschränkungen kann der Klangbereich den Zugang über eine andere sensorische Modalität ermöglichen. Die Vorstellung eines akustischen Bildes dieser Körper bietet eine sensible Möglichkeit, nicht zu schauen oder zu berühren, nicht zu repräsentieren oder Besitzansprüche zu erheben.
Während der gesamten Installation werden die akustischen Fingerabdrücke verschmelzen, sich neu kombinieren und neue Generationen virtueller Fingerabdrücke mit eigenen akustischen Eigenschaften erzeugen. Diese entziehen sich musealen Kategorien und Repräsentationsansprüchen, so wie sich auch queere Identitäten normativen Vorstellungen von Geschlecht, Beziehungen und Sexualität entziehen. Durch evolutionäre KI und die Interaktion mit dem Publikum zeigt Queer Sonic Fingerprint neue Objektbeziehungen auf, die über die Logik des Museums als Ort der Definition, Ausstellung, Bildung und Aufbewahrung hinausgehen. Ein multisensorisches und interaktives Format stellt solche etablierten Formen der musealen Praxis in Frage. Klanglich erfahrbare queere Verwandtschaftsbeziehungen und Erzählungen bieten so audio-materielle alternative Zukunftsvisionen, in kritischer Auseinandersetzung mit den kolonialen Wurzeln ethnografischer Sammlungen.
Isabel Bredenbröker ist Sozial- und Kulturanthropolog*in und arbeitet zwischen Kunst und Wissenschaft. Dey hat ein DFG-Walter-Benjamin-Postdoktorandenstipendium, das zwischen dem Centre for Anthropological Research on Museums and Heritage (CARMAH) und dem Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik an der Humboldt-Universität zu Berlin angesiedelt ist. Isabels Arbeitsschwerpunkte sind materielle und visuelle Kultur, Kunst- und Museumsanthropologie, Queer Theory und Intersektionalität, Situiertheit und Autoethnographie, Kolonialismus, Reinigung und Abfall. Dey hat ethnografische Filme produziert, mit Feldaufnahmen gearbeitet und Ausstellungen im musealen und zeitgenössischen Kunstkontext (mit-)kuratiert sowie zu diesen beigetragen. Isabel’s Buch Rest in Plastic: Death, time and synthetic materials in a Ghanaian Ewe community wurde kürzlich bei Berghahn als Open-Access Publikation veröffentlicht.
http://isabelbredenbroeker.com/
Adam Pultz Melbye ist Kontrabassist*, Komponist* und Improvisator* und arbeitet im Bereich des akustischen und elektronischen Klangs. Adams Arbeit umfasst Live-Performance, Klanginstallation, Sound für Tanz, Theater, Film, Multimedia, Skulptur, algorithmisches Design und Instrumentenbau. Adam ist in Europa, Australien, den USA und Japan aufgetreten und hat an etwa 50 Alben mitgewirkt. Adam tritt oft mit halb-autonomen Feedback-Systemen auf, wie dem FAAB (feedback-actuated augmented bass). Adam hat einen practice based PhD in Musiktechnologie vom Sonic Arts Research Centre, Queen’s University Belfast.
http://adampultz.com/