Zine Ecologies
Collective Structures in Independent Publishing
Kristina Stallvik
Seit März 2023 begleitet Art Laboratory Berlin als Gastinstitution die Alexander von Humboldt-Bundeskanzlerstipendiat:in Kristina Stallvik zur Unterstützung ihres einjährigen Forschungsprojekts – Zine Ecologies: Collective Structures in Independent Publishing.
Im Laufe des Stipendiums hat Stallvik eine praxisorientierte Forschungsmethodik entwickelt, bei der sie sich Themen des Verlagswesens aus den unterschiedlichen Perspektiven von Drucker:innen, Herausgeber:innen, Kurator:innen, Künstler:innen, Archivar:innen, Leser:innen und Vertreiber:innen nähern. Mit einem Hintergrund in kritischer und queerer Ökologie stützt sich Stallvik auf ein nicht-normatives Verständnis von Verwandtschaft, Interdependenz und Gegenseitigkeit, um die Bedeutung von Gemeinschaftsformationen zu verstehen, die durch die Herstellung und Veröffentlichung von Büchern entstehen.
In ihrer Doppelausstellung ACT 1: THE WHEELHOUSE (Nýlistasafnið, Reykjavik, IS) konzentrierte sich Stallvik zunächst auf das Buch als physisches Objekt. Sie verstanden das Buch als Basiseinheit ihrer Forschung und stellten die Frage, wie seine haptischen Qualitäten sowohl die Erinnerung als auch imaginative Spekulationen aktivieren. Das für diese partizipative Ausstellung produzierte Buch wurde auch auf der Bergen Art Book Fair, Norwegen, gezeigt.
In einem Großteil des westlichen philosophischen Denkens werden unsere Sinne auf die singulären Fähigkeiten beschränkt, zugeschrieben durch die Abgrenzung von Tastsinn, Gehör, Sehkraft, Geruch und Geschmack. Unter Anwendung einer Logik des Haptischen können die Sinnesorgane stattdessen so verstanden werden, dass sie die flüchtige Grenzschicht zwischen unserem Fleisch und der Außenwelt durch eine chaotische, unentwirrbare Praxis der Sinnesbildung darstellen. Das Buch als epistemologisches Format bietet das Potenzial für eine Vielzahl haptischer Beziehungen. Bücher stellen ihre eigenen körperlichen Anforderungen. Lesen ist niemals passiv oder körperlos; es existiert nur beim Zusammenfluss von Sprache und Körper. In den Kontexten des Digitalen und des Zerebralen wirken die haptischen Qualitäten des Lesens, um das Somatische in nicht-materielle Räume einzuschreiben. Stallviks Forschung wird diese Ideen in einem kommenden einmonatigen kuratorischen Projekt, Slow Leak (a.p. books, Berlin, DE), weiter untersuchen.
Während des Matter of Flux Festivals von Art Laboratory Berlin setzte Stallvik mit ihrem Bibliotheksprojekt The Fluxional Shelf den Fokus auf das verkörperte Lesen. Der räumliche Rahmen eines Festivals prägt das daraus resultierende Wissen und die Beziehungen. Um das Festivalformat materiell zu „hacken“, aktivierte The Fluxional Shelf den tabuisierten Raum der Toilette mit einem Lesesaal: gedacht, um die verletzlichsten körperlichen Handlungen zu beherbergen und gleichzeitig berüchtigt für den Konsum von Geschichten und Texten. Die anfängliche Bibliothek enthielt Einsendungen der Mitglieder des Festivalnetzwerks – ein Archiv unserer kollektiven Einflüsse. Die Teilnehmer:innen des Festivals fügten den Regalen Ergänzungen hinzu und fügten ihre eigenen Anmerkungen zu den vorhandenen Texten hinzu. Außerhalb des Badezimmers stand ein Drucker zur Verfügung, um neue Texte zu erstellen oder Texte zur weiteren Reflexion und zum Austausch zu kopieren.
Dieses Besinnen auf die intime Zirkulation stetzte sich mit Stallviks Beteiligung an Björn Gieseckes Imagine: A Bookshop, einem temporären Buchladen und Gemeinschaftsraum, fort. Dieses Projekt, das die Türen seines normalerweise privaten Designstudios öffnete, „konzentrierte sich auf Bücher, die in einem oder mehreren Fällen als selten gelten, z. B. kleine Auflagen, Bücher ohne ISBN, Künstler:inbücher und im Selbstverlag erschienene Titel, bei denen der Vertrieb ein Problem darstellt und die daher schwer zu bekommen sind“. Im Rahmen des Veranstaltungsprogramms des Shops nahm Stallvik an einer Diskussionsrunde über den Entstehungsprozess eines Künstler:inbuchs teil.
In September 2023 arbeitete Stallvik mit Art Laboratory Berlin, alpha nova & galerie future und Stipendiat:innender Alexander von Humboldt-Stiftung an einem intensiven Zine Making-Workshop Exploring the Visual:
Die Künstler:in und Forscher:in Kristina Stallvik (geb. 1999, NYC) hat 2021 ein Doppel-BA in Umwelt- und Geschlechterstudien am Swarthmore College absolviert. Im Kontext dieser multidisziplinären Schnittstelle zielt ihre Praxis darauf ab, normative Auffassungen des „Natürlichen“ kritisch zu befragen und die Art und Weise zu untersuchen, wie nichtmenschliche Wesen im Kontext von Projekten identitätsstiftend genutzt werden. Unterstützt durch ein Stipendium des Office for Contemporary Art Norway hat Kristina ein langfristiges künstlerisches Forschungsprojekt über die sich verändernde Fischereigesetzgebung in Island durchgeführt, dessen Ergebnisse in der Galerie Automat Collective (Philadelphia, USA) und Nylistasafnid (Reykjavik, IS) ausgestellt wurden. Ihre Schriften zu diesem Thema wurden von der Inland Academy in Zusammenarbeit mit der Lumbung Press der Documenta 15 veröffentlicht. Ihre derzeit im Magma Maria (Offenbach, DE) gezeigte Arbeit konzentriert sich auf den Green Screen als technologisches Werkzeug, das Skripte für Beziehungen zwischen den Arten legitimiert. In Zusammenarbeit mit der Kunsthall Trondheim hat Kristina außerdem einen Workshop für Kinder entwickelt, der sich mit dem Thema der Körperlichkeit von Tieren beschäftigt. Kristina ist derzeit Bundeskanzlerstipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung mit Art Laboratory Berlin als Gastinstitution. Gemeinsam mit Art Laboratory Berlin erforschen sie die kollektiven Strukturen unabhängiger Artist Books und Zine-Publikationen. Ihr Risographdruck- und Verlagsprojekt Cover Crop wurde auf der Bergen Art Book Fair ausgestellt und wird demnächst auf der Wiener Kunstbuchmesse im Oktober zu sehen sein.
Activities
Intermediate Objects
- Künstlerische Forschung
- Kristina Stallvik
Publishing Ecologies
- Eine Diskussion
- Mit Oscar Salguero, Institute for Interspecies Art and Relations, und Onomatopee
IN-PROGRESS… | COLLOQUIUM
- Research in Art, Science and Humanities
- Mit Kristina Stallvik und Louise Mackenzie
Exploring the Visual
- Zine-Präsentation, Lesung, Ausstellungs-Tour
- Mit Kristina Stallvik, Li Yang, Kennith Rosario, Lebogang Mokoena und Hana PeoplesORT: alpha nova & galerie futura
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