Signs of the Times
Kunst-Residenz
Karolina Żyniewicz
Art Laboratory Berlin freut sich, die in Berlin lebende Künstlerin Karolina Żyniewicz bei ihrem neuen Projekt Signs of the Times zu unterstützen. Nachdem wir im Frühjahr 2020 der Designerin und Künstlerin Fara Peluso und Anfang 2021 der Künstlerin Sarah Hermanutz unsere Räume für ihre Projekte angebotten hatten, freuen wir uns, nun Karolina Żyniewicz eine weitere Residenz anbieten zu können. Bei diesen neuen Projekt, lädt die Künstlerin Interessent:innen ein, vor Ort oder online mit ihr ins Gespräch zu kommen.
Signs of the Times – Das Sammeln von biologischen Spuren und Erinnerungen
Masken (medizinisch/ textil) wurden zum Symbol der schwierigen Zeit der Covid-19-Pandemie – Enge, Unsicherheit und Angst. Bilder von Menschen, die Masken tragen, werden zu historischen Dokumenten dieser Zeit. Mit der Zeit werden sie verschiedene Bedeutungen haben. Masken sollen uns vor dem Virus schützen, aber wenn sie zu lange getragen werden, können sie auch gefährlich für unsere Gesundheit sein, da sie alles aufsaugen, was beim Atmen und Sprechen aus Nase und Mund kommt. Nach ein paar Stunden des Tragens sind sie mit Körpersekreten und der individuellen Mikroflora durchtränkt. Wir sollten sie nicht wieder aufsaugen. Neben Bildern von Masken, die getragen werden, gibt es auch Masken, die auf der Straße liegen. Nach dem Gebrauch werden sie zu Abfall, zu biologisch gefährlichem Abfall. Sie sind dann anonym; wir können nicht wissen, wer sie getragen hat. Vielleicht war es ein:e Träger:in des Coronavirus oder eine Person, die an verschiedenen Krankheiten litt.
Phase I: Sammeln von anonymen biologischen Spuren
Im Frühjahr 2021 beschloss ich, Masken auf den Straßen Berlins zu sammeln, um sie in Zukunft als Laborproben zu verwenden. Es handelte sich um eine spezifische Aktivität im Umgang mit Masken, die als Abjekt und möglicher Ort des Virusstandortes verstanden wurden. Ich habe die gesammelten Masken in Laborröhrchen gelegt.
Phase II: Das Sammeln individueller biologischer Spuren und Erinnerungen
Zu einem bestimmten Zeitpunkt wurde mir klar, dass anonyme Masken für mein Pandemie-Archiv nicht ausreichten. Ich war neugierig auf die Menschen hinter den Gesichtsmasken. Ich wollte individuelle Geschichten hören, mit persönlichem biologischen Material kontaminierte Masken und Erinnerungen an die Covid-19-Pandemie sammeln. Zu diesem Zweck musste ich persönliche Treffen organisieren. Das war nach einer so langen Zeit der Gefangenschaft unerlässlich. Jede:r Teilnehmer:in wurde gebeten, sich vor die Kamera zu setzen und eine Erinnerung an die Zeit der Pandemie zu erzählen. Ich habe keine Fragen gestellt; es war wichtig, den Geschichten Raum und Freiheit zu geben. Ich gab der Person eine frische medizinische Maske, um sie beim Sprechen und Atmen zu kontaminieren. Nach dem Gespräch nahm ich die Maske und legte sie in das Laborröhrchen und fügte sie der bestehenden Sammlung hinzu.
Durchgeführte Veranstaltungen:
Liebig19, Berlin | August 2021
Łaźnia Galerie, Gdańsk | Oktober 2021
TOP (Transdisziplinärer Projektraum), Berlin | November 2021
Phase III: Untersuchung der biologischen Spuren
Die Laborphase des Projekts ist für die nächsten zwei bis drei Jahre geplant. Ich beabsichtige, die biologischen Überreste der gesammelten Masken zu untersuchen. Sie stammen aus dem Körper und aus der Umwelt, die die Probe kontaminiert hat. Ich interessiere mich weniger für menschliches genetisches Material, sondern mehr für nichtmenschliche Erreger, menschliche Lebensgefährt:innen.
Anhang: Schaffung eines kollektiven Gedächtnisses
Während der ersten Welle der Covid-19-Pandemie, zwischen März und Juni 2020, nahm ich an Online-Treffen mit dem Arbeitstitel Viral Culture. Bio-art and Society teil. Die akademische Kuratorin vom Pomona College Gallery, Claire Nettleton, initiierte diese Reihe, um die internationale Kunst- und Wissenschaftsgemeinschaft zusammenzubringen, Erfahrungen auszutauschen und sich gegenseitig in der globalen Krise zu unterstützen. Die Treffen boten auch Gelegenheit, fachliche Fragen wie Kreativität in Zeiten der Pandemie, virtuelles Ausstellen, Online-Bildung und die Rolle der Bio Art im Diskurs über die Pandemie zu diskutieren. Es gibt eine Sammlung von Notizen, Chats, Transkripte und Videoaufzeichnungen. Ich betrachte sie als ein sinnvolles Archiv, das eine gute historische Dokumentation für die Zukunft sein wird. So habe ich beschlossen, sie zu bearbeiten, Videotranskriptionen anzufertigen und Referenzen zu sammeln. Mein Ziel ist es, eine Publikation vorzubereiten, die durch kurze Interviews mit Personen, die an den Treffen teilgenommen haben, ergänzt wird. Ich würde ihnen vor allem die Frage stellen, welche Bedeutung die Reihe für jede:n einzelnen von ihnen hatte.
Karolina Żyniewicz
Karolina Żyniewicz ist Künstlerin (2009 Abschluss an der Akademie der Schönen Künste in Łódź, Fachbereich Bildende Kunst) und Forscherin, Doktorandin (Transdisziplinäres Doktorand:innenprogramm Natur-Kultur an der Fakultät Artes Liberales der Universität Warschau). Durch ihre Arbeit im Labor (haupts. am Institut für Genetik und Biotechnologie der Fakultät für Biologie der Universität Warschau) verortet Żyniewicz ihre Werke im Bereich der Biokunst, obwohl sie versucht, diesen Begriff zu vermeiden. Sie sieht ihre grenzüberschreitende Tätigkeit als situierte Wissensproduktion. Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Leben in seinem weiten Verständnis (seiner biologischen und kulturellen Bedeutung). Ihre Projekte haben meist konzeptionellen, kritischen Charakter. Das Hauptaugenmerk ihrer Doktorarbeit liegt auf den vielschichtigen Beziehungen, die bei der Durchführung von Grenzprojekten entstehen. Ihre Beobachtungen als Künstlerin und Forscherin (als liminales Wesen) stehen im Kontext der Wissenschafts- und Technologiestudien (STS), der Akteur-Netzwerk-Theorie von Bruno Latour und der feministischen Geisteswissenschaften.
www.karolinazyniewicz.com