Strange Encounters with Vegetal Others
Špela Petrič
Die slowenische Künstlerin Špela Petrič nähert sich ihrer Kunstproduktion über die Hybrid Arts und die Biochemie, worin sie promoviert hat. Diese beiden erkenntnistheoretischen Ansätze prägen ihre Arbeit mit dem Pflanzenreich im Sinne einer zwischenartlichen Kollaboration. Sie untersucht Ontologien, Methodologien, Ethik und Praktiken der Pflege, die unserer Beziehungen mit Pflanzen zugrunde liegen. Ihre erste Einzelausstellung in Berlin wird einen Einblick in ihre Multi-Species-Projekte geben.
Das Pflanzenreich, auf das wir für unser Überleben angewiesen sind, funktioniert auf einer völlig anderen biologischen Grundlage als unsere: scheinbar untätig, buchstäblich vegetativ und ausgestattet mit vielen noch unerforschten Formen der Intelligenz. Doch die Wissenschaft offenbart eine komplizierte Welt schwer nachvollziehbarer chemischer Konversationen, zwischenartlicher Netzwerke und nicht zentralisierter Operationen, die unserer eigenen Existenz fremd sind. Mit ihrer Arbeit schlägt Petrič neuartige Formen der Kommunikation zwischen Mensch und Pflanzen, gegenseitiger Erkenntnisse und Ansätze eines möglichen Austauschs vor.
Ihre Serie Confronting Vegetal Otherness ist eine performative Auseinandersetzung über eben solche neuen Formen des Austauschs. Im Zentrum ihrer Arbeit Skotopoiesis (was mit „von Dunkelheit geformt“ übersetzet werden kann) steht ein biosemiotischer Prozess zur Interkognition zwischen der Künstlerin und einem Kressefeld. In einer Langzeit-Performance steht die Künstlerin 20 Stunden vor dem Feld, ihr Schatten trägt zu einem Verblassen und einer Dehnung der Kresse bei, und der Körper der Künstlerin schrumpft minimal. Der zeitliche Aspekt zwingt die Künstlerin dazu, an einem vegetativen Zeitgefühl zu partizipieren und einen postanthropozentrischen Zugang zum Nichtmenschlichen einzunehmen.
Strange Encounters: Metaphysics, Algae and Carcinoma nutzt Biotechnologie, um unsere Unterschiede mit dem Pflanzenreich zu überwinden. Hier schaut die Künstlerin mit einem naturwissenschaftlichen Blick auf die Zellbiologie und verfolgt den Ansatz, die Zelle als biotechnische Arbeitskraft zu verstehen. Petrič inszeniert eine In-vitro-Begegnung von zwei Arten von Zellen: Chlorella, eine frei lebende einzellige photosynthetische Alge und eine menschliche Krebszelle, das Karzinom einer Blase. Das performative Experiment führte in zumindest einem Fall zu einer Hybridität, da die Krebszellen die Algen in sich aufzunehmen schienen. „Ich mache Biopolitik, wähle, instrumentiere, beobachte, dokumentiere, erzähle“, bemerkt Petrič. „Der Krebs und die Algen verhandeln den Raum, den ich ihnen gebe. Die Macht der Biologie dringt genauso in die Pflanze ein, wie es der Mensch tut.“
Die Arbeit The Plant Sex Consultancy, die Petrič zusammen mit Pei Ying Lin, Dimitris Stamatis und Jasmina Weiss produziert hat, schlägt designbasierte Lösungen für sexuelle (oder Bestäubungs-)Probleme von sechs Pflanzen vor. Angesiedelt zwischen Medizinprodukten und Sexspielzeuge für Blumen, sprechen die vorgeschlagenen Designlösungen unsere Fantasie an und fordern unsere vorgefassten Vorstellungen von pflanzlicher Handlungs- und Empfindungsfähigkeit heraus. Sie beziehen sich auch auf eine mögliche Zukunft, in der ein Mangel an bestäubenden Insekten drastische technologische Eingriffe erfordert. Da zum Beispiel die wichtigsten Bestäuber von Cyclamen ausgestorben sind, schlägt das Kunst-Design-Team eine spezielle Prothese vor, die den Pollen auf andere Insekten schüttelt. Eine aktuelle Studie zeigte, dass die Insektenpopulationen in deutschen Naturschutzgebieten während der letzten 30 Jahre um mehr als 75% eingebrochen sind.
Regine Rapp & Christian de Lutz
Presse Feedback
Frankfurter Allgemeine Zeitung, erschienen am 26/09/2018, update am 05/10/2018 von Joachim Müller-Jung, „BioArt“ boomt : Wahrheiten, die uns nur durch Kunst bewußt werden
Labiotech.eu, erschienen am 30/09/2018 von Clara Rodríguez Fernández, Trouble in the Soil Bed: Sex Toys for Plants