[micro]biologies II
πρωτεο / proteo
Joanna Hoffmann
[micro]biologies II: πρωτεο / proteo mit Arbeiten von Joanna Hoffmann ist die vierte und letzte Ausstellung der Reihe [macro]biologies & [micro]biologies bei Art Laboratory Berlin. Das Ausstellungsprojekt untersucht kleinste Biomoleküle, welche die Grundlage für Leben darstellen.
Joanna Hoffmann, eine renommierte polnische Künstlerin mit Lebensmittelpunkt in Berlin, hat bereits dreimal das Künstlerstipendium des polnischen Kulturministeriums erhalten und hat 2007 den 1. Preis im Polnischen Wettbewerb von Europlanet und der Polnischen Akademie der Wissenschaften gewonnen. Seit 2009 ist sie Professorin (Dr. hab.) an der Universität der Künste in Poznan, sowie Leiterin des Studio for Transdisciplinary Projects and Research: Art, Science & Technology; darüber hinaus ist sie Vorsitzende des Art & Science Node in Berlin.
Ihre interdisziplinäre Arbeiten verbinden Kunst, Mikrobiologie, Physik und Technologie. Durch die Verwendung von Multimedia-Installationen, 3D-Stereoskopien, experimentelle Videoanimation und andere Medien untersucht sie die Visualisierung subatomarer, molekularer sowie kosmischer Räume. Ihre Arbeiten beziehen sich auf aktuelle Forschungsergebnisse über das Phänomen Leben und die Wechselbeziehung zwischen dem Naturwissenschaftlichen und dem Kulturellen, dem Sinnlichen und dem Trügerischen, dem Digitalen und dem Biologischen, dem Natürlichen und dem Synthetischen.
Der Ausstellungsraum bei Art Laboratory Berlin verwandelt sich in eine Multimedia-Installation: Auf einem Sockel gegenüber des Eingangs steht die Arbeit πρωτεο / proteo, ein sogen. „’Pepper’s ghost’, ein Vorläufer der Holographie, auf eine Pyramide projiziert. Der Titel der Arbeit bezieht sich auf die griechische Wurzel des Wortes „Protein” (griech. πρωτεῖοςgrundlegend, vorrangig) sowie auf die philosophische Tradition der Suche nach arche – der Essenz der physikalischen Welt (Anaximander) und dem Prinzip von Wissen (Aristoteles). πρωτεο / Proteo ist eine Animation, in der Partikel ein Mini-Universum in der Form der Calabi-Yau-Räume bilden. Dies sind Räume, in denen sich entsprechend der Super-stringtheorie aufeinander folgende Dimensionen unserer Welt auf subatomarer Stufe winden (kräuseln). Man kann die Entstehung gewundener Proteinmoleküle und ihren dynamischen molekularen „Lebenstanz“ beobachten. Gleich einer poetischen Antwort visualisiert sich hier die Frage über die Beziehungen zwischen Energie, Materie und Form.
Die 3D Installation Molecule ist speziell für diese Ausstellung entstanden. Sie basiert auf Forschungsdaten molekularer Strukturen, von der Künstlerin in eine Computer-Animation übertragen. Die Arbeit, die mit Andre Bartetzkis Soundscape Hand in Hand geht, bezieht sich auf den Körper der Betrachter. Joanna Hoffmann beschreibt dies wie folgt: „Entsprechend der Super-string-Theorie enthält unser Universum zusätzliche Dimensionen, die verdichtet auf ein subatomares Level und für unsere begrenzte Wahrnehmung nicht erreichbar. Wenn dem so ist, dann tragen unsere eigenen Körper Dimensionen, die wir nicht wahrnehmen können: wir sind Räume, die mannigfache Universen enthalten. Doch die Evolution unseres Universums könnte auch der entgegengesetzten Richtung folgen: Entsprechend anderer Theorien stürzt die multidimensionale Welt in eine vierdimensionale zusammen. Und selbst diese kann sich wie ein Hologramm um eine Illusion der Wahrnehmung handeln.“
Eine andere 3D Arbeit ist Anxiety of the 2nd Dimension von 2012. Das kugelförmige Molekül eines Proteins, das lineare Narrativ einer Aminosäure mit den Formen einer Alpha-Helix erweist sich als philosophische Studie über Raum und Existenz. “Vielleicht stellen wir uns vor”, so Joanna Hoffmann, “wie sich unsere eigene Lebensbahn auf einer zerknittert zweidimensionalen Fläche windet – wie auf einem zerknitterten Stück Papier, deren Falten uns der Vielfalt an Erfahrungen versichert und das uns mit multidimensionalen Illusionen versorgt.”
Joanna Hoffmanns Ausstellung versteht sich als Labor der Imagination und verbindet einige Stränge der künstlerischen Forschung von Hoffmanns Langzeitprojekt Hidden Topologies of Being, inspiriert durch die atomischen Strukturen von Proteinmolekülen (bekannt unter dem Begriff „basic bricks of life“). Die Arbeiten basieren auf Forschungsaufnahmen, die Proteinstrukturen beschreiben. Joanna Hoffmann erklärt: „Proteine verbinden wir meistens mit Zellrobotern. Aber für mich als ein ‚Assembly of Proteins’ (dieser Begriff stammt von David Deamler) hat das Proteinmolekül eine zentrale Bedeutung, um die Wechselwirkungen zwischen den Micro- und Macro-Maßstäben meiner Existenz dar.“ Die Videoarbeiten verarbeiten Ausschnitte von Gedichten von Rabindranath Tagore und der Künstlerin selbst.
In diesen Arbeiten versucht Joanna Hoffmann, die Auswirkungen der theoretischen Physik zu visualisieren. So erklärt die Künstlerin: „Wenn die naturwissenschaftliche Hypothese über die multidimensionale Natur der Welt stimmt, dann befinden sich diese verborgenen Räume überall, an jedem Punkt des Räumlichen – außerhalb sowie innerhalb von uns selbst. Was bedeutet es für uns, in einem multidimensionalen Universum, oder gar Multiversum zu leben? Was für Mittel haben wir, um das Unsichtbare zu verstehen? […] Vielleicht kann eines Tages unser Gehirn wahrnehmen, wie wir im multidimensionalen Universum existieren. Vorerst haben wir dafür nur unsere Vorstellungskraft und eine starke Vielfalt von Proteinkügelchen, von denen jedes in einem anderen Maßstab eine Blase von einer bestimmten Welt vorschlägt.“
Durch die Verwendung unterschiedlichster Technologien, wie beispielsweise „Pepper’s ghost“ sowie 3D Video, stellt Joanna Hoffmann den Rezipienten vielfältige Strukturen naturwissenschaftlicher, philosophischer und ästhetischer Analysen vor. Durch die Verbindung naturwis-senschaftlicher Daten, Bild, Ton und Poesie thematisiert sie in ihrer Arbeit πρωτεο / Proteo mögliche Herausforderungen und Grenzen der menschlichen Kognition und schafft eine emotionale Brücke zwischen unserer alltäglichen Erfahrung und der Abstraktheit der gegenwärtigen Naturwissenschaft.
Für diese Ausstellung hat Joanna Hoffmann mit dem Soundkünstler und Komponisten Andre Bartetzky zusammen gearbeitet. Für diese Ausstellung entwickelte er eine multiple Klanglandschaft, die einige Aspekte von Joanna Hofmanns Videoarbeiten aufgreift: abstrakte Formen, reale Umweltgeräusche, flächige Texturen und objekthafte Impulse, tiefster Infraschall und extreme Höhen.
art-in-berlin, publiziert am 28. Januar 2015 , Tanz der Moleküle, von Dr. Barbara Borek
Exberliner, Februar 2015, Opening: Johanna Hoffman: [micro]biologies II: proteo, von Fridey Mickel