Ausstellung > Invisible Forces

Invisible Forces

Artistic Research

Erich Berger | Mari Keto | Martin Howse

Erich Berger/ Mari Keto: Inheritance, 2016, Beton, Kupfer, Bronze, Gold, Silber, Uraninit, Thorit, Thorianit, Glass, Acryl, Hasenfell, Amber, Audioaufnahme, Autoradiographie, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Inheritance, 2016, Beton, Kupfer, Bronze, Gold, Silber, Uraninit, Thorit, Thorianit, Glass, Acryl, Hasenfell, Amber, Audioaufnahme, Autoradiographie, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Open Care, 2016, Installation, Bronze, Stahl, Glass, Amber, Gold, Sand, Hasenfell, Acrylik, Autoradiographie, möglicherweise AM241, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Ausstellungsansicht, Invisible Forces, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Martin Howse: Local Area Network (LAN), 2019, Workshop & forensische Ausstellung, Art Laboratory Berlin, Foto: Tim Deussen

Martin Howse: Local Area Network (LAN), 2019, Workshop & forensische Ausstellung, Art Laboratory Berlin, Foto: Tim Deussen

Martin Howse: Local Area Network (LAN), 2019, Workshop & forensische Ausstellung, Art Laboratory Berlin, Foto: Tim Deussen

Unser Planet besteht nicht nur aus Erde und Felsen, sondern auch aus einer Anzahl unsichtbarer Kräfte, welche die Form und Entwicklungsfähigkeit des Lebens beeinflussen und formen. Strahlung ist nicht nur ein Nebenprodukt des Atomzeitalters, sondern etwas, das in nahezu jeder Umgebung im Hintergrund existiert. Die Ausstellung möchte einen Dialog zwischen zeitgenössischer Kultur, deep time (geologischer Zeit) und Psychogeophysik eröffnen.


Die Arbeiten von Erich Berger und Mari Keto beschäftigen sich mit aktuellen Fragen des radioaktiven Abfalls. Die Installation Inheritance im vorderen Raum schlägt eine Zukunft vor, in der ein wertvolles Schmuckstück zu einem kostbaren, aber möglicherweise tödlichen Erbstück geworden ist. Die Steine bestehen teilweise aus radioaktivem Thorianit (ThO2), Thorit (Th, U) und Uraninit (UO2), das schließlich zu einem nichtradioaktiven Bleiisotop verfallen wird. In der Vitrine sind unterschiedliche Gegenständen angeordnet: Anweisungen in Kupfer eingraviert; zwei Schalen, die eine Wasseruhr darstellen; der Schmuck; ein Elektroskop; und schließlich ein Acrylstab mit einem Pelzstück, um mithilfe des Blattgoldes eine elektrostatische Aufladung auszulösen. Inheritance versteht sich als Ritual, bei dem die Erben den Schmuck aus dem Betonbehälter nehmen und mit einem Elektroskop prüfen, ob die Stücke bereits tragbar sind oder weiterhin für die nächste Generation aufbewahrt werden müssen. Das konzeptuelle Narrativ verweist auf die geologische Zeit („deep time“), die die Kürze der menschlichen Präsenz auf dem Planeten widerspiegelt und unser „atomares Erbe“ in Frage stellt. Was uns Berger und Keto hier präsentieren, ist der Moment vor dem Ritual, in dem das Erbstück bereit ist, getestet zu werden. Das Foto neben der Vitrine ist eine Autoradiografie, entstanden durch den Kontakt von Schmuck und Filmpapier. Die Radioaktivität der Edelsteintöne wirkt wie Licht und erzeugt ein negatives Bild.

Erich Berger/ Mari Keto: Inheritance, 2016, Beton, Kupfer, Bronze, Gold, Silber, Uraninit, Thorit, Thorianit, Glass, Acryl, Hasenfell, Amber, Audioaufnahme, Autoradiographie, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Inheritance, 2016, Beton, Kupfer, Bronze, Gold, Silber, Uraninit, Thorit, Thorianit, Glass, Acryl, Hasenfell, Amber, Audioaufnahme, Autoradiographie, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Inheritance, 2016, Beton, Kupfer, Bronze, Gold, Silber, Uraninit, Thorit, Thorianit, Glass, Acryl, Hasenfell, Amber, Audioaufnahme, Autoradiographie, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Inheritance, 2016, Beton, Kupfer, Bronze, Gold, Silber, Uraninit, Thorit, Thorianit, Glass, Acryl, Hasenfell, Amber, Audioaufnahme, Autoradiographie, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Inheritance, 2016, Beton, Kupfer, Bronze, Gold, Silber, Uraninit, Thorit, Thorianit, Glass, Acryl, Hasenfell, Amber, Audioaufnahme, Autoradiographie, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Inheritance, 2016, Beton, Kupfer, Bronze, Gold, Silber, Uraninit, Thorit, Thorianit, Glass, Acryl, Hasenfell, Amber, Audioaufnahme, Autoradiographie, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Inheritance, 2016, Beton, Kupfer, Bronze, Gold, Silber, Uraninit, Thorit, Thorianit, Glass, Acryl, Hasenfell, Amber, Audioaufnahme, Autoradiographie, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Inheritance, 2016, Beton, Kupfer, Bronze, Gold, Silber, Uraninit, Thorit, Thorianit, Glass, Acryl, Hasenfell, Amber, Audioaufnahme, Autoradiographie, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Inheritance, 2016, Beton, Kupfer, Bronze, Gold, Silber, Uraninit, Thorit, Thorianit, Glass, Acryl, Hasenfell, Amber, Audioaufnahme, Autoradiographie, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen


„Atomkraft und Atommüll sind höchst umstrittene Themen. Viele glauben, dass wir als Individuum und Gesellschaft nicht genügend Informationen haben, um fundierte Entscheidungen über den Einsatz der Kerntechnik treffen zu können “, kommentieren Berger und Keto. „Da die ökonomischen, ökologischen und chronologischen Dimensionen in ihrem Umfang schwer nachvollziehbar sind, werden die Diskussionen sehr dogmatisch und emotional geführt. Die Arbeit Inheritance versucht, die Langzeitkomponente von Atommüll zu thematisieren, indem sie in das intime und fürsorgliche Konzept einer Familie überführt wird, ohne den Aspekt der geologischen Zeit zu beeinträchtigen.“

Ihre andere Arbeit in der Ausstellung Open Care im vorderen Raum links zeigt ein spekulatives Szenario und eine Zukunft, in der einzelne Familien die Verantwortung für radioaktive Abfälle übernehmen. Der Schrein bietet ein Elektroskop zur Messung der Radioaktivität, ein elektrostatisches Ladegerät und eine Speicherscheibe für eine kleine Menge Atommüll an, von Generation an Generation weiterzugeben. Die Abfälle, die durch unsere wissenschaftlichen und technologischen Fortschritte entstehen, werden zu einer generationenübergreifenden Last der kollektiven Fürsorge und Verantwortung. Neben dem Schrein lässt sich erneut eine Autoradiographie studieren – hier mit 92 Pellets des anthropogenen Isotops 241Am.

In Open Care haben Berger und Keto die Objekte absichtlich als Schrein arrangiert, der in eine Familienwohnung oder ein Familienhaus eingebaut werden könnte. In einer möglichen Zukunft wird die Sorge um die giftige Vergangenheit der Menschheit – unsere Gegenwart – zu einer ritualisierten Aufgabe für zukünftige Generationen. Sowohl Inheritance als auch Open Care stellen Szenarien für eine tiefgreifende Zeitverantwortung unserer Spezies im Umgang mit Abfällen zu Diskussion.

Erich Berger/ Mari Keto: Open Care, 2016, Installation, Bronze, Stahl, Glass, Amber, Gold, Sand, Hasenfell, Acrylik, Autoradiographie, möglicherweise AM241, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Open Care, 2016, installation, bronze, steel, glass, brass, amber, gold, sand, rabbit fur, acrylic, autoradiography, potentially AM241, Art Laboratory Berlin 2019, photo: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Open Care, 2016, Installation, Bronze, Stahl, Glass, Amber, Gold, Sand, Hasenfell, Acrylik, Autoradiographie, möglicherweise AM241, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Open Care, 2016, Installation, Bronze, Stahl, Glass, Amber, Gold, Sand, Hasenfell, Acrylik, Autoradiographie, möglicherweise AM241, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Open Care, 2016, Installation, Bronze, Stahl, Glass, Amber, Gold, Sand, Hasenfell, Acrylik, Autoradiographie, möglicherweise AM241, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Open Care, 2016, Installation, Bronze, Stahl, Glass, Amber, Gold, Sand, Hasenfell, Acrylik, Autoradiographie, möglicherweise AM241, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Open Care, 2016, Installation, Bronze, Stahl, Glass, Amber, Gold, Sand, Hasenfell, Acrylik, Autoradiographie, möglicherweise AM241, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Erich Berger/ Mari Keto: Open Care, 2016, Installation, Bronze, Stahl, Glass, Amber, Gold, Sand, Hasenfell, Acrylik, Autoradiographie, möglicherweise AM241, Art Laboratory Berlin 2019, Foto: Tim Deussen

Im hinteren Raum zeigt Martin Howse Objekte, Maschinen und Visualisierungen seines Workshops Local Area Network (LAN), den er als forensischen Ausstellungsteil versteht. Es ist eine transdisziplinäre, spekulative Untersuchung lokaler Felder und Partikel sowie ein energetischer Austausch, der ein Hacken lokaler Netzwerke in geologische, ökologische und technologische „Umwelten“ vorschlägt. Howses Arbeit beinhaltet aktive Formen der Zusammenarbeit, um die Treffpunkte von Code, Geologie und der menschlichen Psyche zu erkunden (Psychogeophysik).

Der orangefarbene Kasten auf dem Tisch misst die Entropie (als Maß für Zufälligkeit und Un/Ordnung) und den Einfall von Myonen, die durch die Kollision kosmischer Strahlen in der Atmosphäre entstehen. Während des Workshops wurde dieses Gerät durch das Gebiet um die ALB-Ausstellungsräume getragen. Entropie und Myonen wurden mithilfe von GPS abgebildet. Die Ergebnisse sind auf zwei großen Drucken an der Wand zu sehen. Auf einem Druck ist die Entropie bei 100 angesiedelt, während 200 Münzwurfe simuliert werden; der Median entspricht 100 (Kopf oder Zahl). Der andere große Druck zeigt die Anzahl der Myonen, die innerhalb von 4 Sekunden gemessen wurden. Ein Pappkarton mit Maschine, die auch während des Workshops durch die Nachbarschaft getragen wurde, misst die Intensität der Hochfrequenzenergie (100 MHz bis 4 GHz), die dann auf den Ort abgebildet wurde. Dadurch wird ersichtlich, in welchen Bereichen stärkere elektromagnetische Felder und Wellen auftreten.

Martin Howse: Local Area Network (LAN), 2019, Workshop & forensische Ausstellung, Art Laboratory Berlin, Foto: Tim Deussen

Martin Howse: Local Area Network (LAN), 2019, Workshop & forensische Ausstellung, Art Laboratory Berlin, Foto: Tim Deussen

Martin Howse: Local Area Network (LAN), 2019, Workshop & forensische Ausstellung, Art Laboratory Berlin, Foto: Tim Deussen

Martin Howse: Local Area Network (LAN), 2019, Workshop & forensische Ausstellung, Art Laboratory Berlin, Foto: Tim Deussen

Martin Howse: Local Area Network (LAN), 2019, Workshop & forensische Ausstellung, Art Laboratory Berlin, Foto: Tim Deussen

Martin Howse: Local Area Network (LAN), 2019, Workshop & forensische Ausstellung, Art Laboratory Berlin, Foto: Tim Deussen

Während des ersten Workshop-Tages bauten die Teilnehmer:innen eine Wolkenkammer (Cloud Chamber), die es ermöglicht, Myonen – hier als Wege einfallender ionisierender Strahlung – zu betrachten, die durch Wechselwirkungen mit kosmischen Strahlen oder Partikel aus Zerfallsereignissen (von den radioaktiven Mineralien) verursacht werden. Die Kammer ist mit Alkohol gesättigt, der Boden der Kammer wird abgekühlt, so dass sich Dampf bildet, und die Partikel interagieren mit dem Dampf, kondensieren um ihn herum und bilden sichtbare Spuren.

LAN identifiziert Orte und Stellen, an denen sich energetische Transformationen mit menschlicher Infrastruktur und Akteure der Abstraktion und Logik überschneiden. Howse sieht LAN als eine Intervention „mit den koexistierenden Bereichen algorithmischer Entitäten, der Strukturen und Infrastrukturen der Berechnung mit den nichtmenschlichen Entitäten der Erde (Myzel und Mikroben)“.

Regine Rapp & Christian de Lutz

Ort

Art Laboratory Berlin
Prinzenallee 34, 13359 Berlin

Datum und Öffnungszeiten

19. Oktober – 8. Dezember 2019
Fr – So, 14 – 18 Uhr oder nach Vereinbarung

Kuratiert von

Regine Rapp & Christian de Lutz

Team

Regine Rapp, Christian de Lutz, Tuçe Erel

Fotodokumentation

Tim Deussen
Art Laboratory Berlin

Kooperationspartner:innen

DIY Hack the Panke

Unterstützt von




Informiert bleiben

Unseren Newsletter abonnieren