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Das Konzept Nonhuman Subjectivities.

Aktuelle künstlerische Praktiken im Posthumanismus.

Wissenschaftlicher Aufsatz | Regine Rapp

Auszug aus dem wissenschaftlichen Aufsatz
„Das Konzept Nonhuman Subjectivities. Aktuelle künstlerische Praktiken im Posthumanismus“ von Regine Rapp:

„[…] Im vorliegenden Aufsatz möchte ich das Konzept »Nonhuman Subjectivities« anhand ausgewählter aktueller künstlerischer Positionen vorstellen, die nichtmenschliche Organismen – Tiere, Pflanzen, Pilze – ins Zentrum ihrer Arbeit stellen. So unterschiedlich ihre künstlerischen Strategien, Formate und ästhetischen Kriterien sind, so vereint sie doch das Interesse an folgenden Aspekten: Handlungsfähigkeit und Empfindungsvermögen nichtmenschlicher Wesen, Phänomene menschlich-nichtmenschlicher Kommunikation sowie eine kritische Revision von Intelligenz-Definitionen. All dies geht eng einher mit neuesten Forschungsergebnissen aus den Lebenswissenschaften. Dabei möchte ich die unterschiedlichen unkonventionellen Praktiken derjenigen Künstler*innen betonen, die sich in ihren prozessorientierten künstlerischen Projekten oftmals in Form einer multidisziplinären Praxis neuen Formaten und Themen zuwenden. Die ausgewählten Beispiele zeigen, wie die klassischen Labor- und Ausstellungsräume funktional, performativ und interaktiv hinterfragt, erweitert oder auch unterwandert werden. Die jeweiligen Künstler*innen arbeiten meist nicht nur mit Naturwissenschaftler*innen zusammen, sie arbeiten auch selbst in Laboren. Dies erachte ich als ein neues künstlerisches Paradigma. Es geht hier um künstlerische Praktiken, die ein unmittelbares Interesse an organischer Materie als solcher verfolgen. Die Künstler*innen befassen sich in offenen, zugänglichen Formaten mit Biomaterie, ohne sie anschließend in ein traditionelles künstlerisches Format zu überführen (Gemälde, Bild, Skulptur etc.). Das Repräsentieren wird zugunsten einer unmittelbaren künstlerischen Auseinandersetzung mit der Materie bewusst unterlaufen. Es ist bezeichnend, dass man bei dieser neuen Kunstrichtung verstärkt das offene und flüchtige Format der Performance und kollaborative Arbeitsformen antrifft. […] Das Konzept Nonhuman Subjectivities geht auf eine gleichnamige Forschungs- und Ausstellungsreihe zurück, die Christian de Lutz und ich 2014/15 entwickelt und 2016/2017 bei Art Laboratory Berlin realisiert haben. Auf der Grundlage von Ausstellungen, Gesprächen, Seminaren, Workshops und einer dreitägigen internationalen interdisziplinären Konferenz mit dem Titel Nonhuman Agents in Art, Culture and Theory im November 2017 konnte ein weites diskursives Feld an Themen, Thesen, Formaten, Projekten und insbesondere Fragen in einem offenen Arbeitsmodus entstehen, das mit einer breiten Öffentlichkeit verhandelt wurde und wird. 2017 hat sich das Konzept unter dem Titel Nonhuman Agents fortgesetzt. Der gesamte Themenkomplex wäre nicht ohne das vorangegangene Konzept [macro]biologies & [micro]biologies (2014/15) entstanden, in dem wir uns bereits auf der Grundlage von Themen wie Biosphäre, Organismen, Bakterien und Molekülen mit künstlerischen Praktiken, theoretischer Forschung aus Natur- und Geisteswissenschaften sowie kuratorischer Praxis auseinandersetzten. […]“ Regine Rapp, S. 68.



Über die Anthologie


Design und Mimesis. Nachahmung in Natur und Kultur, hrs. von Friedrich Weltzien und Antonia Ulrich, Berlin: Reimer 2019


Natur und Kultur werden in der Geistes- und Kulturgeschichte meist als Gegensätze angesehen. Gleichzeitig dient die Natur oft als Vorbild in Gestaltungsfragen, etwa im Modedesign oder in der Stadtplanung. Welche Rolle die Mimesis als Nachahmung von Natur im Design spielt, wird in diesem Band erläutert.

Die Natur dient dem Design oft als Vorbild – zugleich ist bei Tieren und Pflanzen bisweilen mimetisches Verhalten zu beobachten, das sie als kreative Wesen auszeichnen würde. Sind also Natur und Kultur Gegensätze, wie es oft in der Geistes- und Kulturgeschichte anklingt? Zahlreiche Konzepte und Theorien der Gestaltung beruhen auf der Unterscheidung zwischen unwillkürlich Gewordenem und willentlich Gestaltetem, zwischen Naturwüchsigem und Menschgemachtem. Aktuell werden Themen wie Designerpflanzen und -tiere, Patente auf Genome, Nachhaltigkeit, Klimawandel, Energiewende sowie Tierethik rege diskutiert und als Herausforderungen sowohl der Gegenwart als auch der ferneren Zukunft bewertet. Die Autor:innen des Bandes zeigen, welche Rolle die Mimesis als Nachahmung von Natur im Design spielt. In den Beiträgen werden so unterschiedliche Themen behandelt wie die Gestaltung virtueller Räume z. B. in Computerspielen, die nachhaltige Produktion und Entsorgung von Bekleidung oder die Nachahmung von Tieren und ihrem Verhalten in der zeitgenössischen Performancekunst.

Die Herausgeberin und der Herausgeber

Antonia Ulrich ist Mitarbeiterin im Bereich Theorie und Wissenschaft der Abteilung Design und Medien an der Hochschule Hannover. Friedrich Weltzien ist Professor für Kreativität und Wahrnehmungspsychologie an der Hochschule Hannover.

Die Autor:innen

Stefan Adler, Berlin; Roland Borgards, Würzburg; Sabeth Buchmann, Wien; Sonja Dümpelmann, Cambridge, MA; F. Volker Feyerabend, Hannover; Jasper A. Friedrich, Hannover; Kristin Gerber, Berlin; Suzanne Koechert, Hannover; Beatrix Landsbek, Hannover; André Nakonz, Hannover; Alexandra Panzert, Hannover; Regine Rapp, Berlin; Caroline Thiem, Berlin; Jessica Ullrich, Münster; Antonia Ulrich, Hannover; Friedrich Weltzien, Hannover

Mit Bildstrecken von: Anna Artaker, Wien; Volker Eichelmann, London; Anton Krüger, Hannover; Meike Gleim, Brüssel; Hong Zeiss, Wien

Schlagworte

Ökologische Kunst, Ökologisches Design, Thanatose, Tier-Werden in der Kunst, Künstlerische Sprachnachahmung, Naturnachahmung im Bauhaus, Naturnachahmung in der Innenarchitektur, Bionik, Computerspiel, Virtuelle Realität, Virtual Reality, Urwald und Naturschutz, Stadtbäume, Nachhaltige Mode, Posthumanismus, Biodesign, Mimesis, Performancekunst.

Titel

Regine Rapp: „Das Konzept Nonhuman Subjectivities. Aktuelle künstlerische Praktiken im Posthumanismus“, in: Design und Mimesis. Nachahmung in Natur und Kultur, hrs. von Friedrich Weltzien und Antonia Ulrich, Berlin: Reimer 2019, S. 66 – 87.

Herausgeber:in

Friedrich Weltzien, Antonia Ulrich

Verlag

Reimer Verlag

Sprache

German

Seitenanzahl

Aufsatz: S. 66 – 87 | Buch: 272 Seiten

Hard cover

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