The Camille Diaries
New Artistic Positions on M/otherhood, Life and Care
Sonia Levy | Mary Maggic | Naja Ryde Ankarfeldt | Baum & Leahy | Špela Petrič | Margherita Pevere | Ai Hasegawa | Nicole Clouston | Cecilia Jonsson | Tarah Rhoda
Die Ausstellung und das Symposium The Camille Diaries. New Artistic Positions on M/otherhood, Life and Care stellen aktuelle künstlerische Arbeiten von elf internationalen weiblichen und non-binären Künstlerinnen vor (Installationen, Video, Objekte, Performance). Die künstlerischen Positionen reflektieren die aktuellen Bedingungen unserer Welt (Umweltveränderungen, Gender-Aspekte, Biopolitik usw.) und schlagen eine „Ästhetik der Fürsorge“ als Grundlage für das Zusammenleben zwischen den Arten vor. Hier wird der Planet als ein symbiotisches Netz verstanden, in dem wir alle miteinander verstrickt sind (Menschen, Pflanzen, Tiere, Umwelt) – auf molekularer, organischer, ethischer und biopolitischer Ebene. Die künstlerischen Positionen untersuchen Reproduktionsmechanismen, biochemische Verbindungen zwischen Menschen und nichtmenschlichen Organismen, reflektieren kritisch über weibliche Fortpflanzungsorgane und verweisen auf alternative Biomaterialien als „Quelle des Lebens“ in zukünftigen Zeiten der Verknappung und Krise.
Der Ausstellungstitel „Camille Diaries“ spielt auf die „Camille Stories“ an, das letzte Kapitel von „Staying with the Trouble“ (2016) der Philosophin und Biologin Donna Haraway. Darin ersetzt eine schrumpfende menschliche Bevölkerung Geburten durch Fürsorge zwischen den Arten. Jede „Camille“ kümmert sich um das genetische Material einer gefährdeten Art (des Monarchfalters), indem sie Teile dieses Materials in ihrer eigenen DNA speichert.
In der Ausstellung erforschen die Künstlerinnen den genetischen und biochemischen Austausch zwischen Mensch und nichtmenschlichen Organismen, sowohl als Teil des Anthropozäns als auch als Heilmittel dagegen. Hier stellt das Thema der biotechnologischen Umgestaltung des menschlichen Körpers den Menschen an die Peripherie und lenkt unsere volle Aufmerksamkeit auf andere Lebewesen. Dies schafft – und das ist zentral für die geplante Veranstaltungsreihe – ein grundlegendes Verständnis für andere Arten und Organismen aus feministischer Perspektive.
Sonia Levys 2-Kanal-Videoinstallation For the Love of Corals ist eine filmische Recherche über die alltägliche Arbeit bei der Pflege gefährdeter Wesen, um sie vor ihrer bevorstehenden, vom Menschen verursachten Auslöschung zu retten. Mary Maggic untersucht in ihrer Arbeit milik bersama rekombinan die surreale Landschaft eines städtischen indonesischen Flusses, der von Plastik kolonisiert ist und toxische Auswirkungen auf die Bewohner_innen der Umgebung hat. Naja Ankerfeldt und Baum & Leahy lassen sich für ihr Projekt Mammalga von den lebensrettenden Fähigkeiten von Algen inspirieren, und davon wie man sich mit Algen verbinden und als Algenfamilie Verwandtschaft schaffen kann. In der Installation Phytoteratology von Špela Petrič wurden Embryonen der Ackerschmalwand (Schotenkresse) in einem Bad mit Chemikalien aus dem Körper der Künstlerin gezüchtet, was zu einer biochemischen Chimäre mit der Künstlerin als „Co-Mutter“ führte.
In Margherita Peveres Wombs präsentiert lebende Bakterienkolonien, die in wissenschaftlichen Glaswaren einen fleischähnlichen Biofilm produzieren und in einer flüssigen Umgebung wachsen, die mit den Hormonen der Künstlerin durchtränkt ist; und eine Fotoreihe. Ai Hasegawa reflektiert in ihrer Arbeit I Wanna Deliver a Dolphin… über einen artenübergreifenden Akt der Mutterschaft. Nicole Cloustons Arbeit Mud (Berlin) stellt in zwölf rechteckigen Acrylprismen Schlamm aus Berliner Seen und Flüssen vor. Für die Arbeit Haem hat Cecilia Jonsson einen Kompass aus Eisen geschaffen, das sie aus dem Blutprotein Hämoglobin gespendeter menschlicher Plazenten generiert hat. Tarah Rhodas Ourglass wiederum versteht sich als Hommage an die bemerkenswerte Allianz zwischen Pflanzen und Tieren durch Photosynthese und Atmung.
Das 1-tägige Symposium wird die ausgestellten Künstlerinnen mit Forscher:innen aus den Geistes- und Naturwissenschaften in einen kritischen Dialog bringen. Anhand der ausgestellten Arbeiten werden wir über Konzepte des „Collective Survival“ und „Arts of Noticing“ (A. Tsing), „Staying with the Trouble“ (D. Haraway) und „Bodies of Water“ in Verbindung zum Hydrofeminismus (A. Neimanis) diskutieren.
Regine Rapp & Christian de Lutz
Das Projekt THE CAMILLE DIARIES entstand aus einer freundlichen Einladung zur Teilnahme am internationalen kuratorischen Schwarm für den Open Call „M/others and Future Humans“, der von Ida Bencke (LABAE, Kopenhagen, DK) und Eben Kirksey (Princetons Institute for Advanced Study, USA) initiiert wurde.
Das komplette Portfolio aller ausgestellten Arbeiten mit Bildern und Texten ist hier einsehbar: here (pdf file)
Presse Feedback
Alle Spezies sind gleich, in Art-in-Berlin.de von Urszula Usakowska-Wolff (03.09.2020)
Bio-Art au Art Laboratory de Berlin, von Irina Moussakova, in lmoussakova.wordpress.com (17.09.2020)
A Scientific Motherhood: ‘The Camille Diaries’ at Art Laboratory Berlin, in berlinartlink.com, von Judith Vallette (24.09.2020)
Insight: ‘THE CAMILLE DIARIES’, finding kin and ‘m/othering’ life, in CLOT von Lyndsey Walsh (26.10.2020)
ArtHist.net (08.01.2021), The Camille Diaries (über das Symposium)