[macro]biologies II
organisms
Suzanne Anker | Brandon Ballengée | Maja Smrekar
Anstatt eines einheitlichen Konzepts der Existenz von „Welt“ oder „Natur“ sehen wir uns heutzutage im postanthropozentrischen Zeitalter vielmehr von einer Vielzahl von Strukturen und einer Verwischung von Grenzen konfrontiert. Dies ist die zweite Ausstellung unserer diesjährigen Ausstellungsreihe [macro]biologies und [micro]biologies, die aktuelle internationale künstlerische Positionen vorstellt.
In dieser Ausstellung richtet sich unser Blick auf künstlerische Projekte, die sich mit konkreten Organismen auseinander setzen. Dabei geht es um die Beziehungen dieser Organismen zu uns, sowie ihre Rolle als Akteure in einem übergeordneten Sinne. Die Ausstellung legt den Schwerpunkt auf Arbeiten von drei bemerkenswerten KünstlerInnen, die sich mit mehrzelligen Organismen beschäftigen:
Suzanne Anker (US), Brandon Ballengée (US) und Maja Smrekar (SI).
Suzanne Anker
Die amerikanische Künstlerin und Theoretikerin Suzanne Anker ist seit mehreren Jahrzehnten eine der Schlüsselfiguren für die produktive ästhetische Grenze von Kunst und Biologie. Ihre Arbeiten verbinden wissenschaftliche Untersuchungen und neueste Technologien mit einer bemerkenswerten Ästhetik.
Bei Art Laboratory Berlin zeigt Anker verschiedene Werkgruppen:
Die zum ersten Mal 2009 realisierte Installation Astroculture (Shelf Life) besteht aus drei Pflanzen-Kammern, in die LED-Panele eingebaut wurden. Durch das blau-rote spezifische Pflanzenlicht erscheinen alle Pflanzen – Erbsen- und Bohnen, Oregano und Minze – braun. Diese Arbeit manifestiert die Möglichkeit des Anbaus von Kräutern in jedem vom Licht beraubten Umraum.
Remote Sensing ist eine Serie von Arbeiten, die durch Rapid-Prototyping-Technologie hergestellt wurde. Ein dreidimensional arbeitendes Software-Programm übersetzt dabei das Bild in ein Objekt. Die erzeugte Skulptur erinnert an Landschaften, die mittels einer Fernerkundung aufgezeichnet wurden.
In Vanitas (in a Petri dish) reflektiert Anker das Konzept von Vanitas durch den Einsatz einer Petrischale, die dem Laboralltag entnommen ist, und die hier vom Objekt der Wissenschaft zu einem Objekt der Kunst wird.
Suzanne Anker hat speziell für diese Ausstellung die Installation Petri’s Panoply geschaffen (panoply bed. Schmückende Ausstattung). „I consider the petri dish as a signifier“, bemerkte Anker, die gegenwärtig zur Geschichte der Petrischale forscht. In mehr als hundert Petrischalen sind sowohl organische als auch synthetische Materialien kombiniert und wirken in ihrer farblichen und dichten Staffelung wie eine postbarocke Tafel – gleichsam wie die einstmals modernen „Objets trouvés“, die sich nunmehr in der Petrischale zum biologischen Sublime des 21. Jahrhunderts verändert haben.
Mehr Informationen: http://www.suzanneanker.com/
Brandon Ballengée
Der amerikanische Künstler Brandon Ballengée verfolgt im Sinne einer nachhaltigen Form des Artistic Research sein Metier als Bildender Künstler im Bereich Bioart und als Biologe im Bereich Herpetologie.
Bei Art Laboratory Berlin zeigt er Malamp UK eine Videodokumentation seines Projektes Malamp Reliquaries, an dem Ballengée in verschiedenen Formaten seit 2001 bis heute arbeitet. Dabei geht es um Untersuchungen des potenziell unnatürlich hohen Auftretens morphologischer Deformitäten unter wild lebenden Amphibien-Populationen.
Die Ausstellung präsentiert auch dwei weitere Arbeiten von Ballengée, die im Laufe seiner künstlerischen sowie wissenschaftlichen Recherche der letzten Jahre entstanden sind. Die Videoprojektion Requiem pour Flocons de Neige Bléssés (A Requiem for Injured Snowflakes) zeigt Fotografien deformierter Frösche und Kaulquappen von Ballengées Forschung, die in Süd-Quebec zusammen getragen wurden. Jedes Bild entspricht einem Tier, das aufgrund seiner Fehlbildung gestorben ist – die Zerbrechlichkeit des Lebens ist in dieser Arbeit manifestiert.
Danse Macabre hat Ballengée als limitierte Edition im Kontext einer Fundraising Aktion zur Rettung der vom Aussterben bedrohten Feuersalamander in Holland produziert. Die Arbeit ist ein hervorragendes Beispiel für seine Arbeitsweise, die zum einen eine starke ästhetische Lösung darstellt und zum anderen den üblichen Vorgang des „staining & clearing“ in der Forschungspraxis sichtbar macht.
Die Videoinstallation The Cry of Silent Forms mit acht auf dem Boden arrangierten Monitoren vermittelt den Besuchern einen einmaligen mikroskopischen Blick in das Leben unter Wasser. Alle Aufnahmen sind im Labor bei Forschungsarbeiten entstanden, die natürliche Stresssituationen bei Amphibien untersuchen (Feinde, Parasiten, u.s.w.).
Mehr Informationen: http://brandonballengee.com
Maja Smrekar
Die Künstlerin Maja Smrekar aus Ljubljana, Slowenien, arbeitet an der Schnittstelle von Geistes- und Naturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Lebenskonzepte.
I
2012 schuf Smrekar zusammen mit Wissenschaftlern von der Abteilung für Frischwasser und Ökosysteme des Biogischen Instituts in Ljubljana, Slowenien, die komplexe Installation Crustacea deleatur (eine Aksioma-Produktion). Sie basiert auf einer interdisziplinären Studie der Künstlerin und untersucht das Problem invasiver Spezies am Beispiel europäischer (einheimischer) und außereuropäischer (tropischer und invasiver) Krebsarten. Die Installation zeigt einen raumgroßen Behälter, der ein zweiteiliges Aquarium umfasst. In einem Teil werden die lokalen slowenischen Krebsen und im anderen die australischen Rote-Klauen-Krebse (Cherax quadricarinatus), die sich im Laufe der letzten Jahre im südslowenischen Topla-See ausgebreitet haben, platziert. Beide Teile waren durch eine Leiter miteinander verbunden und ermöglichten Austausch und Konfrontation.
Für die Ausstellung bei Art Laboratory Berlin hat Smrekar ihr Projekt weiterentwickelt und präsentiert die Installation Crustacea deleatur in veränderter Form als BioBASE: risky ZOOgraphies mit dem Schwerpunkt auf Marmorkrebse (Procambarus fallax forma virginalis). Diese – davon sechs im linken Aquarium zu sehen – sind asexuell ausgeprägt; ein Phänomen, das man Pathenogenesis nennt, dabei erfolgt Wachstum und Entwicklung des Embryos ohne Befruchtung. Im anderen Aquarium sind männliche Krebse einer verwandten Art zu sehen – Procambarus clarkii. Seit Frühling 2013 besteht ein intensiver Austausch zwischen Smrekar und Prof. Dr. Scholtz vom Institut für Biologie (Humboldt-Universität zu Berlin), einem der führenden Spezialisten für Marmorkrebse weltweit.
Mehr Informationen:
http://www.biobase.si/
http://majasmrekar.org/crustacea-deleatur
https://crustaceadeleatur.wordpress.com
Art Laboratory Berlin: Macro Biologies. Frösche, Erbsen, Marmorkrebse,von Irmgard Berner in nurart.org, publiziert am 8. Juli 2014
Dramen in der Petrischale – [macro]biologies II: organisms von Verena StraubArt-in-berlin Online-Magazine, publiziert am 4. Juni 2014