(Stand
9.9.2009)
Art Laboratory Berlin freut sich, die Ausstellung SEIZED (3.
Oktober 15. November 2009) des Critical Art Ensemble (CAE)
und des Institute for Applied Autonomy (IAA) als dritten Teil der
Ausstellungsserie Kunst und Recht anzukündigen:
Die
Eröffnung unserer Ausstellung SEIZED (Beschlagnahmt) am 2.
Oktober 2009 fällt in eine künstlerisch wie politisch
bewegte Zeit: Das Artforum und andere Kunstmessen beleben Berlin,
wir sind aufgefordert, einen neuen Bundestag zu wählen, und
die öffentlichen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit
stehen unmittelbar bevor. Unser Projekt fügt sich in genau
dieses Spannungsfeld ein: Als Kunstausstellung wirft es Fragen zu
künstlerischer Meinungsfreiheit und staatlicher Repression
auf, reflektiert über das Abhängigkeitsverhältnis
von Politik und Wirtschaft und zeigt künstlerische Strategien,
die dies zu unterwandern versuchen. Amerika, Land der Freiheit,
war der Schauplatz der Ereignisse, die dieser Ausstellung zugrunde
liegen. Sie zeigt, dass es auch in einer Demokratie für Künstler
nicht selbstverständlich ist, Machtverhältnisse zu kritisieren
und öffentlich Stellung zu beziehen.
Die Ausstellung SEIZED setzt sich mit dem Fall des CAE-Mitglieds
und Kunstprofessors Steve Kurtz auseinander, der aufgrund seiner
kritischen Kunstpraxis Opfer einer FBI-Razzia wurde, aus der vier
Jahre juristische Verfolgung hervorgingen. Im Mai 2004 verstarb
eines Nachts völlig unerwartet Steve Kurtzs Frau Hope
aufgrund eines bisher nicht diagnostizierten Herzfehlers. Die Feuerwehr,
die kurz darauf eintraf, fand neben dem Leichnam der Frau ein voll
ausgestattetes Chemielabor vor, das dem Ehepaar Kurtz der Vorbereitung
auf ihre nächste Ausstellung diente. Der Feuerwehr erschien
dies jedoch verdächtig, und sie verständigte sofort das
FBI. Im Zuge einer dreitägigen Razzia konfiszierten sie nicht
nur Kurtzs Computer, Archivmaterialien, Kunstwerke und eine
Reihe von Büchern, die er für seine Forschung zu einem
neuen Buchprojekt benötigte, sondern auch den Leichnam seiner
Frau. Er selbst wurde 22 Stunden verhört mit dem Ziel, ihn
des Bioterrorismus und sogar des Mordes an seiner Frau
anzuklagen. Später wurde der Anklagepunkt in Postbetrug
geändert, doch erst 2008 wurde der Fall wegen mangelnder Beweislage
endgültig zu den Akten gelegt.
In ihrer Installation The Body of Evidence (Beweiskörper) drehen
die Künstler das Opfer-Täter-Verhältnis um: Da das
FBI sie ihrer künstlerischen Materialien beraubt hat, konfiszierten
sie im Gegenzug die Rückstände, die diese nach der Durchsuchung
auf dem Grundstück von Steve Kurtz zurückgelassen hatten
Pizzaschachteln, Getränkeflaschen, Schutzanzüge,
Tüten für Biomaterialien, Notizen sowie einen Zigarrenstummel.
Die Kuratoren der Ausstellung Regine Rapp und Christian de Lutz
schreiben dazu im Ausstellungskatalog:
Die Präsentation der Notizen, die sich die Bundesagenten
während der Durchsuchung gemacht haben, gleicht einer Strategie
der Gegen-Aneignung, bei der das CAE und das IAA jene zurückgelassenen
Objekte als Beweismittel für ihre eigenen Untersuchungen
nutzen. Dies stellt den Fall auf den Kopf und untergräbt dadurch
die Machtstrukturen. Die konfiszierten Dinge werden gegen die zurückgelassenen
Dinge ausgetauscht, die wiederum die Grundlage der Ausstellung bilden.
Durch diesen sonderbaren reziproken Akt kehren die Künstler
das gesamte Ermittler-Täter-System um. Die Leerstelle, die
durch die Beschlagnahmung der Kunstwerke von CAE entstanden ist,
wurde mit dem Unrat des Staats gefüllt, wodurch die Abwesenheit
der konfiszierten Objekte umso greifbarer wird.
Neben der vielschichtigen Installation Body of Evidence dokumentiert
die Ausstellung künstlerische Arbeiten und Performances von
CAE, an denen Steve und Hope Kurtz kurz vor der Razzia arbeiteten,
wie zum Beispiel Free Range Grain (2003-04) oder Molecular Invasion
(2002-03). Art Laboratory Berlin zeigt außerdem in
Zusammenarbeit mit dem arsenal institut für film
und videokunst e.v. den Film Strange Culture von Lynn Hershman
Leeson aus dem Jahr 2007, der sich mit dem Fall Steve Kurtz auseinandersetzt.
Daran anschließen wird sich eine Podiumsdiskussion.
Zur
Ausstellung wird ein Katalog erscheinen.
Für
mehr Informationen kontaktieren Sie bitte Pamina Gerhardt unter:
presse@artlaboratory-berlin.org.
Criticial
Art Ensemble
(CAE) ist ein Kollektiv taktischer Medienaktivisten aus unterschiedlichen
Fachrichtungen wie Computergraphik, Software, Wetware, Film/ Video,
Fotografie, Buchkunst und Performance. CAE wurde 1987 gegründet
und hat zahlreiche unterschiedliche Projekte für ein internationales
Publikum an unterschiedlichen Veranstaltungsorten produziert, angefangen
vom Straßenraum, über das Museum bis zum Internet.
CAE hat für ihre Arbeit mehrere Preise erhalten, darunter den
2007 Andy Warhol Foundation Wynn Kramarsky Freedom of Artistic
Expression Grant, der zwei Jahrzehnte ausgezeichneter Arbeit
honoriert. CAE wurde bereits von zahllosen internationalen Kulturinstitutionen
eingeladen: dem Whitney Museum und dem New Museum in New York, dem
Corcoran Museum of Art in Washington D.C., dem London Museum of
Natural History, dem ICA London, der Schirn Kunsthalle Frankfurt,
dem Musée dArt Moderne de la Ville de Paris, der Volksbühne
in Berlin, dem ZKM Karlsruhe, El Matadero in Madrid, dem Museum
of Contemporary Art in Helsinki, dem Museo de Arte Carrilo Gil in
Mexico City und vielen mehr.
Das
Institute for Applied Autonomy (IAA) wurde 1998 als ein anonymes
Kollektiv von Ingenieuren, Designern, Künstlern und Aktivisten
mit dem Ziel der individuellen sowie kollektiven Selbstbestimmung
gegründet. Bisher hat das IAA zahlreiche Aktionen realisiert,
gerade im Rahmen des Vorzeigeprojekts Contestational Robotics.
Darunter fallen verschiedene telegesteuerte graffitischreibende
Roboter; I-See, ein webgestützter Navigationsdienst
als Benutzerhilfe bei der Vermeidung von Beobachtung, der große
mediale Aufmerksamkeit bekam; Terminal Air, eine Installation
und Website, welche die Bewegungen von Flugzeugen aufzeichnet, von
denen man annimmt, sie seien im Rahmen des CIA "Extraordinary
Rendition Program" verwendet worden.
Das IAA hat für seine Arbeit zahlreiche Auszeichnungen erhalten,
darunter den 2000 Prix Ars Electronica Award of Distinction
und mehrere lobende Erwähnungen von Prix Ars Electronica sowie
das Rhizome New Media Fellowship. Ihre Arbeiten wurden weltweit
in Museen, Galerien und an öffentlichen Orten gezeigt, so z.B.
im ZKM, Karlsruhe; in der World Information Organization, Amsterdam;
im Museum of Contemporary Art, Barcelona; im Australian Centre for
the Moving Image und im Mass MoCA.
Der
Film Strange Culture (2007) der US-amerikanischen
Regisseurin Lynn Hershman Leeson dokumentiert den surrealen Alptraum
des international renommierten Künstlers und Kunstprofessors
Steve Kurtz, der mit dem Tod seiner Frau Hope durch Herzversagen
begann. Die durch Kurtz Notruf alarmierte Polizei hielt seine
Kunst für verdächtig und schaltete das FBI ein. Innerhalb
weniger Stunden wurde der Künstler als verdächtig(t)er
Bioterrorist festgenommen, während Dutzende von
Bundesagenten seine Arbeit durchsuchten und seinen Computer, seine
Manuskripte, Bücher, seine Katze und sogar den Leichnam seiner
Frau beschlagnahmten. In den Hauptrollen spielen Tilda Swinton,
Peter Coyote, Thomas Jay Ryan, Josh Kornbluth und Steven Kurtz.
Der Film Strange Culture wurde 2007 auf der Berlinale in
Berlin gezeigt.
Lynn
Hershman Leeson ist eine amerikanische Filmemacherin und Künstlerin.
Ihr wurden Preise zuteil wie der Siemens-Medienkunstpreis
des ZKM, Karlsruhe, sowie der Golden Nica Prize auf der Ars
Electronica 1999.
(pressetext
als .pdf)
Wenn Sie Fragen haben oder weiteres Material wünschen, wenden
Sie sich bitte an Pamina Gerhardt (zuständig für Presse-
und Öffentlichkeitsarbeit):
presse@artlaboratory-berlin.org
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(Stand
9.8.2009)
Art
Laboratory Berlin freut sich, die kommende Ausstellung Seized
(Beschlagnahmt) von Critical Art Ensemble (CAE) und dem Institute
for Applied Autonomy (IAA) als als dritten Teil der Ausstellungsserie
Kunst und Recht anzukündigen.
Die
Ausstellung Seized dokumentiert die FBI-Razzia im
Haus des CAE-Mitglieds Steve Kurtz im Mai 2004, die sich kurz nach
dem Tod seiner Frau Hope ereignete. In den Wochen vor der Razzia
waren Steve und Hope Kurtz mit den Vorbereitungen einer künstlerischen
Arbeit über genmanipulierte Lebensmittel für die Ausstellung
The Interventionists: Art in the Social Sphere im Museum Mass MoCA
beschäftigt gewesen. Ein Mitarbeiter der Feuerwehr, die auf
Kurtz' Notruf hin eintraf, beurteilte das Vorbereitungsmaterial
für die Ausstellung in ihrem Haus als verdächtig und verständigte
das FBI. Im Zuge der Razzia sperrten dessen Beamte in Schutzanzügen
einen halben Block um das Haus ab und verursachten eine enorme mediale
Aufmerksamkeit.
Obwohl
Hope Kurtz nachweislich eines natürlichen Todes starb und keines
der in ihrem Hause gefundenen Materialien in irgendeiner Weise eine
gesundheitliche Gefahr darstellte, versuchte das US-Justizministerium
ihren Mann Steve anzuklagen - zuerst mit dem Vorwurf des "Bioterrorismus",
später, als sich dieser als nichtig herausstellte, mit dem
Vorwurf des "Postbetrugs" aufgrund der Zustellung harmloser
Bakterien. Nach fast vier Jahren erst stellte der Bundesrichter
Richard J. Arcara das Verfahren wegen "mangelnder Beweislage"
ein, da seiner Meinung nach kein Verbrechen begangen wurde.
Während
der Razzia konfiszierte man zahlreiche Objekte: mehrere Gegenstände,
die sich auf die Mass MoCA-Ausstellung bezogen, Kunstwerke, Computer,
Bücher, Archivmaterial und Manuskripte. Daneben hinterließ
das FBI sehr viel Müll - darunter über 30 leere Pizzaschachteln,
mehrere hundert Getränkeflaschen, Schutzanzüge, Atemschutzfilter,
unbeschriftete Tüten für Biomaterialien, eine handgeschriebene
Checkliste, die in dem Ausdruck "Durchsuchungsbefehl unterschreiben"
kulminiert, und einen Zigarrenstummel. In der Ausstellung Seized
werden diese Spuren der Durchsuchungsaktion mit einer Dokumentation
der Razzia und des darauf folgenden Gerichtsprozesses verbunden.
Darüber hinaus zeigt die Ausstellung künstlerische Arbeiten
und Performances von CAE, darunter auch jene, an denen Steve und
Hope Kurtz kurz vor der Razzia arbeiteten.
Im
Rahmen der Ausstellung wird Art Laboratory Berlin in Zusammenarbeit
mit dem Arsenal - Institut für Film und Videokunst e.V. am
2. November den Film Strange Culture (2007) von Lynn Hershman
Leeson im Kino Arsenal zeigen. Anschl. gibt es eine Podiumsdiskussion
(Details folgen).
(pressetext
9.8.2009 als .pdf)
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ART
LABORATORY BERLIN wurde im Herbst 2006 von einer internationalen
Gruppe von KunsthistorikerInnen und KünstlerInnen als gemeinnütziger
Verein gegründet. Als nichtkommerzieller Kunstraum versteht
sich ART LABORATORY BERLIN als eine Plattform für interdisziplinäre
Ausstellungsprojekte im internationalen Kontext.
Das
Hauptinteresse gilt der Präsentation und Vermittlung zeitgenössischer
Kunst an der Schnittstelle zu anderen kreativen Bereichen, wie die
bisher realisierten Ausstellungsreihen "Kunst und Musik",
"Kunst und Text", "Kunst und Naturwissenschaften"
gezeigt haben. Mit drei Themenausstellungen zu jedem dieser Bereiche
werden die
vielfältigen Aspekte des Zusammenspiels zweier, auf den ersten
Blick nicht direkt
miteinander in Verbindung stehender Gattungen zur Diskussion gestellt.
Gegenwärtig realisiert ART LABORATORY BERLIN die Ausstellungsreihe
"Kunst und Recht".
ART
LABORATORY BERLIN fördert im Rahmen der Ausstellungspraxis
den Kontakt zwischen Publikum und KünstlerInnen. Zum Zweck
der Vermittlung der zeitgenössischen Kunst und der Erforschung
ihrer Interaktion mit anderen kreativen Bereichen zählen Gespräche
mit den ausstellenden KünstlerInnen zum Bestandteil des Ausstellungsprogramms.
Des Weiteren werden die Ausstellungen durch themenrelevante Vorträge,
Filmvorführungen und Kuratorengespräche sowie Workshops
ergänzt.
Die
Leitung von ART LABORATORY BERLIN obliegt momentan Christian de
Lutz (Bildender Künstler, Kurator) und Regine Rapp (Kunsthistorikerin,
Kuratorin). Verantwortlich für PR und Pressearbeit ist Pamina
Gerhardt (Kunsthistorikerin).
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