|
Birgit
Szepanski, Prinzenallee. Ein Stück ohne Dialoge, Fotografie,
2007 |
|
|
Die
Berliner Künstlerin Birgit Szepanski entwirft in ihren Installationen
mit Text und Bild eine eigene Ästhetik des urbanen Raums. Der
Ausstellungsraum selbst Wand, Boden, Fenster und Tür
ist dabei stets Bestandteil der Arbeit. Auf der Grundlage
des Spazierengehens als künstlerische Produktionsform hat die
Künstlerin in den vergangenen Jahren für ihre Ausstellungsprojekte
im In- und Ausland Gedanken, Worte, Bilder bestimmter Orte gesammelt.
Architektonische sowie bibliophile Aspekte begegnen sich dabei in
Künstlerbüchern, Fotografien, Filmen und Hörstücken.
Im Rahmen der Ausstellungsreihe Kunst und Text hat Birgit
Szepanski für Art Laboratory Berlin eine ortsspezifische Arbeit
geschaffen. Prinzenallee. Ein Stück ohne Dialoge
ist eine die gesamten Ausstellungsräume umfassende Installation,
welche sich unmittelbar auf die gleichnamige Straße in Berlin-Wedding
bezieht. Film, Fotografie und Text zeichnen Spuren dieser Straße
nach. Mittels einer dezidiert minimalistischen Formensprache entfaltet
sich der Straßenraum im Ausstellungsraum.
Der graphisch-räumlichen Umsetzung des urbanen Themas im Ausstellungsraum
geht ein intensiver Prozess des Sammelns vorweg: unzählige
Fotografien, Filmaufnahmen und geschriebene Aufzeichnungen zur Prinzenallee
Häuser, Schilder, Passanten sowie Situationen
waren der Ausgangspunkt der Arbeit. Auf das Sammeln folgte die Auswahl:
Schwarzweißfotografien, laser-kopiert und bis ins Abstrakte
vergrößert, finden sich auf Wänden, in Heften oder
als abfotografierte Dias wieder. Der Rhythmus der als Loop präsentierten
Dias betont die distanzierte beobachtende Haltung der Fotografin,
die ihre Objekte als Requisiten dokumentiert - Straßenlaterne,
Vase, Lieferwagen, Hauseingang, Schaufenster, Fassaden. Die Hefte,
die für die Besucher zum Blättern bereit liegen, muten
wie Versatzstücke des urbanen Raums an. In ihnen macht sich
jene für Birgit Szepanski typische Materialästhetik bemerkbar:
Karton, Stoff, Folie, Filz, Holzfurnier, Wellplastik.
Bewusst lässt Birgit Szepanski in ihren Texten unterschiedliche
literarische Gattungen ineinander fließen: Beschreibung, Erzählung,
Protokoll und Monologe gestalten das Stück ohne Dialoge
zu einem urbanen Labyrinth, unmerklich oszillieren Fiktion und Realität.
Chemische Reinigung, auf Wunsch 24h liest man auf einer
weißen Karteikarten. Wendet man die Karte, so liest man auf
der anderen Seite: Neben den grünen Pflanzen im Schaufenster
bilden sich weiße Kristalle im Winter ab. Dieser stete
Wechsel zwischen Realität und Fiktion macht sich nicht nur
bei den in Courier New-Typographie mit Schreibmaschine getippten
Karteikarten durch das Spiel des Wendens der Karten bemerkbar. In
drei identisch gestalteten schwarzen Heften kann man über Die
Straße lesen, aus unterschiedlichen Perspektiven einer
fiktiven Handlung, einem Rollentausch ähnelnd. Der Ort wird
zum Tatort und der Besucher zum Voyeur, der in die intimen urbanen
Zonen durch Bild, Ton und Text im Ausstellungsraum eindringt.
Die Farbe grau in helleren und dunkleren Schattierungen ist für
die Ausstellung Programm, was sich bereits in der Einladungskarte
widerspiegelt: Für mich ist das Grau die Verbindung zur
Straße, zum Asphalt. Ich erweitere mit dem Grau den Raum und
hole die Straße in die Ausstellung, erklärt die
Künstlerin in einem Gespräch. Die unbunte Farbe grau im
Ausstellungsraum verweist nicht zuletzt auch auf die mediale Geschichte
des urbanen Raums. Der Topos Stadt hat sich seit den Anfängen
der Großstadtfilme und der Street Photography in unserem Gedächtnis
als schwarz-weißer Raum festgesetzt. Der in einem hellen Grau
gehaltene Vorhang schließlich bringt uns zurück zur Prinzenallee
einem Stück ohne Dialoge.
-Regine Rapp
|