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Farkhondeh
Shahroudi, o.T. (2002), aus der serie Das Buch im
Buch(2001-2007), Stoff, Stofffarbe |
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Farkhondeh
Shahroudi, Gülüzar (2005), digitale Fotocollage |
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Farkhondeh
Shahroudi
Farkhondeh Shahroudi wurde 1962 in Teheran geboren und lebt seit
1990 in Deutschland. Als Künstlerin arbeitet sie mit zahlreichen
Medien: Skulptur, Zeichnung, Malerei, Fotografie, Video und Computer;
als Dichterin schreibt sie auf Farsi und auf Deutsch. Ihre Werke
fungieren nach ihren eigenen Worten als Hyperlink zwischen visuellen
und literarischen Techniken, zwischen Tradition und Technologie.
Ihre Künstlerbücher aus der Serie Das Buch im Buch,
2001-2007, beziehen sich auf die Tradition der illuminierten Handschriften
vor Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks und auf klassische persische
Miniaturmalerei. Jedes der einzigartigen Bücher ist auf Stoff
handgemalt. Sie sind angefüllt mit Bildern von Frauen, die
in den klassischen und jüngst viel diskutierten
iranischen Tschador gehüllt sind. Shahroudi verwendet unterschiedliche,
mal blickdichte, mal transparente Stoffe für ihre Buchseiten
und stellt so unsere vorgefertigten kulturellen Vorstellungen von
Form und Inhalt in Frage. Indem sie Teile aus den Seiten aus schneidet,
kreiert sie Fenster und Türen in ihren Werken.
Im Gegensatz zu maschinell hergestellten Kunstwerken oder Büchern,
die nach Benjamins Diktum durch die Massenproduktion ihre Aura verlieren,
lädt die Einzigartigkeit von Shahroudis handgemachten Büchern
sie wieder mit dieser verloren geglaubten Aura auf. Hierdurch erhalten
sie, Reliquien ähnlich, einen Fetischcharakter. Darüber
hinaus sind ihre Arbeiten für die Künstlerin Objekte,
die als Bedeutungsträger fungieren.
Ihre jüngste Zeichnungsserie Glossolalie, 2007, begann
als Experiment. Als Rechtshänderin zeichnete Shahroudi eine
Reihe von Zeichnungen auf Papier mit der linken Hand. Anschließend
malte sie diese Bilder auf Fragmente von Kleidung, die aus einem
unvollendeten Kunstwerk ausgeschnitten waren: ein Kleidungsstück,
das mit zahlreichen Schichten aus Schrift in Farsi bedeckt war.
Shahroudi arbeitet immer nach einem bestimmten Prinzip, um jene
unlesbaren Texte zu schaffen, die sich in vielen ihrer
Werke finden. Oftmals schreibt sie zu Anfang spontane Texte, die
der écriture automatique der Surrealisten verpflichtet
sind, und überschreibt diese anschließend mehrmals mit
neuen Texten. Das Ergebnis ist einerseits unlesbar, andererseits
in Teilen (zumindest phonetisch) erkennbar. Es ist ein Palimpsest
aus Bild und Text, eine Kalligraphie mit klanglichen Qualitäten.
Beim Schreiben, Nähen, Malen (und auch Arbeiten am Computer)
ersetzt die Bewegung der Hand die Stimme als wichtigstes linguistisches
Medium: Wenn ich mit meinen Händen arbeite, dann ist
das so, als spreche meine Zunge durch meine Hände, sagte
Shahroudi in einem Gespräch.
Die Digitalprojektion Gülüzar, 2005, ist eine Fotocollage
eines Campingwagens vor dem Görlitzer Park in Kreuzberg. Gülüzar
Blumenwiese ist der Spitzname, den die dort lebenden
Türken dem Park gegeben haben. Der Campingwagen ist mit einem
typischen persischen Teppich bedeckt. Der Teppich spielt in seiner
Materialität eine wesentliche Rolle in Shahroudis Arbeiten.
Im Rahmen ihrer Performance Restituzione im Bahnhof Tiburtina in
Rom 2003 hat sie beispielsweise Teppichstücke an verblüffte
Passanten und Reisende verteilt. 2005 hat sie die Pfeiler vor dem
Haus der Kulturen der Welt in Berlin in persische Teppiche gehüllt.In
diesen Arbeiten kommt aber vor allem der Symbolik des Teppichs als
mobiler Garten eine große Bedeutung zu.
Der Garten, ein weit verbreitetes Sujet in der
persischen Kunst und Dichtung, ist ebenso das Hauptmotiv in
orientalischen Teppichen, deren Muster sich üblicherweise an
florale Vorbilder anlehnen. Zudem wird hier der Teppich als
mobiles Kunstwerk, als mobiler Garten zum Symbol für eine
außerhalb ihres Heimatlandes arbeitende Künstlerin. -Christian de Lutz
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