Art
Laboratory Berlin freut sich, die Eröffnung der Ausstellung Wunschgarten:
Wild Urban Offshoots der Künstlerinnen Alex Toland und
Myriel Milicevic anzukündigen - die zweite Ausstellung unserer
laufenden Serie Artists in Dialog.
Jede
Ausstellung der Reihe Artists in Dialog kann als diskursive
Untersuchung zweier künstlerischer Positionen verstanden werden,
die etwas gemein haben (z.B. Ästhetik, Thema oder Werkprozess).
Alex Toland und Myriel Milicevic arbeiten beide an der Schnittstelle
von Kunst und Umweltwissenschaften. Toland betrachtet das Projekt
als Habitat Hacking', und Milicevic erklärt es als eine
Neuordnung artenübergreifender Lebenswelten'. Sie haben
die unmittelbare Umgebung um Art Laboratory Berlin herum (den Soldiner
Kiez) als Ort gewählt, um die Wechselbeziehungen zwischen der
ansässigen menschlichen Population und der urbanen Flora und
Fauna zu untersuchen. Der Ausstellungsraum fungiert als Labor, um
zu kartieren, zeichnen, modellieren und Prototypen zu erstellen.
Der Wunschgarten versteht sich als eine Serie von Dialogen:
zwischen den Künstlerinnen und den lokalen AnwohnerInnen, zwischen
der StadtbewohnerInnen und der Natur sowie zwischen Stadtplanung
und urbaner Wildnis.
Während
Städte in wilde Landschaften Einzug halten, breitet sich Wildnis
in den Städten aus. Urbane Lebensräume sind Orte, an denen
sich Pflanzen und Tiere ihre Wohnstätten neben Menschen wählen.
All zu oft allerdings ist der Naturraum durch Betonkonstruktionen
versperrt, was zu einer deutlichen Kluft zwischen dem von Menschen
besetzten Raum und dem Rest der Lebensgemeinschaft führt. Der
Wunschgarten ist eine Erkundung wilder Orte und Wesen in
der Stadt und kann als Vision mit utopischen Maßnahmen verstanden
werden, die über die bereits bestehenden Maßnahmen und
städtischen Grünflächen-Planungen weit hinausgeht.
Die Stadt wird zum Garten unerwarteter essbarer Möglichkeiten
und Ideen, die es auszubrüten und in die Luft fliegen zu lassen
gilt.
Die
ersten Offshoot (Ableger) des Wunschgartens können
bereits auf den Gehwegen und Hinterhöfen des Soldiner Kiez
in Berlin angetroffen werden: Auf einer Karte haben die Künstlerinnen
die Stadtandschaft visualisiert und Gebiete der menschlichen, Tier-
und Pflanzenbevölkerung markiert. Die Panke erweist sich als
ein wesentlicher Ort, entlang derer sich verschiedene Spezies austauschen
und die üppigen Ufer in die angrenzende Nachbarschaft ausfließen.
Toland
und Milicevic beginnen ihre Untersuchung, indem sie die verschiedenen
Nahrungsquellen, die im Soldiner Kiez erhältlich sind, in die
Karte eintragen: 1. Lokale Nahrungsquellen (wie beispielsweise Gärten,
von Menschen angelegt, und Grünflächen, die als Nahrungsquelle
der lokalen Fauna dient); 2. Zugereiste Nahrung (alles, was antransportiert
wurde und an Orten wie Restaurants, Cafés, Kioske und Märkten
verkauft wird).
Anschließend untersuchen sie zukünftige Möglichkeiten
der gemeinsamen Produktion, Koproduktion und Kohabitation zwischen
den menschlichen MitbewohnerInnen und der lokalen Fauna. Die gängigen
Konzepte wie "Lebensweltlich orientierte Räume" (LOR)
oder "potenzielle natürliche Vegetation" (PNV) werden
hier übertrumpft durch die Visionen potenzieller natürlicher
EinwohnerInnen. Damit ist die Wiedereinführung der ehemaligen
Megafauna gemeint, wie beispielsweise der europäische Bison
(Wisent).
Wie
könnten aber die (wieder) eingewanderten Bisons den saftigen
Klee ausfindig machen, der sich zwischen Backsteinen und Gehwegen
versteckt? Und wie könnten die Ameisen die Osloer Straße
überqueren, um die Samen des heilenden Schöllkrauts zu
transportieren? Nach dem Eintrag bereits existierender Nahrungsquellen
entwickeln die Künstlerinnen nun neue Ableger und präsentieren
dabei kreative Maßnahmen gegenüber den Problemen der
Fragmentierung und Isolierung urbaner Grünflächen und
ihrer zahlreichen BewohnerInnen. Das Aufstelzen von Gebäuden
durch Baumpfähle könnte Weideflächen für große
Säugetiere schaffen. "Formicidae Funiculars", sogenannte
Seilbahnen für flügellose Insekten, verlaufen entlang
der Straßenbahnen, um die Ameisen und ihre Verwandte zu neuen
Schöllkrautstellen zu bringen. Felsfassaden erlauben Bergziegen,
auf Mietshäusern herumzusteigen und auf ihren Dachäckern
zu weiden
Die Liste der Maßnahmen sprießt und
wächst.
In
ihrem künstlerischen Projekt entwickeln die Künstlerinnen
mögliche Geräte, um mit den Tieren und der Vegetation
dieser Gegend umzugehen und zu kommunizieren: Ein Vogel-Identifizierungs-Teleskop,
eine Samenschürze zur Verbreitung von Samen, ein Vogelhaus-Rucksack
für schlüpfende Zugvögel
Passend zur Früherntesaison
des Spätsommers werden solche Geräte und andere Maßnahmen
auf Straßen und Hinterhöfen des Soldiner Kiezes, bei
Workshops und auf Kiezbegehungen entwickelt werden. Dabei dient
Art Laboratory Berlin als Offshoot-Lab, als mögliche
Startrampe für Ableger.
Schließlich sind die lokalen AnwohnerInnen (und andere BesucherInnen)
aufgefordert, am Projekt teilzunehmen. Vom Galerieraum aus können
sich die TeilnehmerInnen zu einer Serie von Begehungen aufmachen,
ihre eigenen Ideen und Entwürfe beitragen und den Wunschgarten
wiederum als Sprungbrett für weitere Untersuchungen oder Ableger'
nutzen, wie zum Beispiel bei der Planung von Stadtgärten, städtischer
Fauna oder evolutionärer Architektur und wildurbaner Gesellschaftsformen.
Am
4. September 2010 wird es einen von den Künstlerinnen geleiteten
Workshop geben, um diese Möglichkeiten konzentrierter zu erkunden,
zu diskutieren und zu untersuchen, zu schaffen und zu formulieren
- um den Wunschgarten und seine wilden urbanen Ableger zu
bauen und mitzubewohnen.
Alex
Toland ist Künstlerin und Umweltforscherin und lebt in
Berlin.
2009 präsentierte sie ihre Performance und ihr interaktives
urbanes Projekt Personal Dispersal Mechanisms (Persönliche
Ausbreitungsmechanimsen) bei Art Laboratory Berlin (http://artlaboratory-berlin.org/html/de-event-5.htm).
Sie hat am Dutch Art Institute (DAI) mit dem MFA abgeschlossen und
ihr Diplom in Landschaftsarchitektur und -planung an der TU Berlin
gemacht. Derzeit promoviert sie im DFG Graduiertenkolleg für
Stadtökologie an der TU-Berlin."
www.fertileground.de
Myriel
Milicevic ist Künstlerin, Forscherin und Interaktions-Designerin
und lebt in Berlin. Mit ihren Neighbourhood Satellites erforscht
sie die versteckten Verknüpfungen zwischen Menschen und ihrem
natürlichem, sozialen und technischem Umfeld. Diese Untersuchungen
finden in unterschiedlichen internationalen Ausstellungen, Kooperationen,
Konferenzen und Workshops statt. Sie hat am Interaction Design Institute
Ivrea, Italien, mit dem MA abgeschlossen und ein Diplom in Graphikdesign
an der Gerrit Rietveld Akademie in Amsterdam abgelegt.
www.neighbourhoodsatellites.com
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